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Hamburger Kammerkunstverein

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Was ich gefühlt, hast Du gesungen

Feierabendkonzert im Oberhafen

Was ich gefühlt, hast du gesungen

Franz Schubert und Johann Mayrhofer waren Freunde, Wohnungsgenossen und Leidensgefährten. Dieser Liederabend spürt ihrer geheimnisvollen Verbindung nach.

Bar und Abendkasse 17 h, Konzert 18 h, Lounge 19 h

Mehr zur Reihe: Feierabendkonzert im Oberhafen



Vorverkauf 10 € / Abendkasse 15 € / Kammerkunstmitglieder frei


Halle 424, Stockmeyerstraße 43, Tor 24, 20457 Hamburg


Halle 424


Was ich gefühlt, hast du gesungen

Franz Schubert und Johann Mayrhofer – eine Freundschaft


Eine wahrhaft fidele WG war das in der Wipplinger Straße 420 in Wien, in der der Dichter Johann Baptist Mayrhofer und der 10 Jahre jüngere Komponist Franz Schubert vom Herbst 1818 bis Ende 1820 zusammen wohnten. Ein enger Raum mit niedriger Decke, feuchte Wände, ein durchgespieltes Klavier. Schubert vertonte 47 Gedichte von Mayrhofer, einzig Goethe war ein noch wichtigerer Textlieferant für Schuberts Liedproduktion. Mayrhofer war als Bücherrevisor beim „K. K. Bücher-Revisionsamt“ im Rahmen der staatlichen Zensur durch das Metternich-Regime tätig. Auf diesen Broterwerb war er, entgegen seiner eigentlichen politischen Haltung, angewiesen. Er war ein knochiger, cholerischer, wenig geselliger Mann, ein Hypochonder mit stark depressiven Zügen. Dem gerade mal 22 jährigen Franz Schubert jedoch war der Einzelgänger innig zugetan. Mayrhofer schrieb später: „Während unseres Zusammenseins konnte es nicht fehlen, dass Eigenheiten sich kundgaben. Nun waren wir jeder in dieser Beziehung reichlich bedacht und die Folgen blieben nicht aus. Wir neckten einander auf mancherlei Art und wendeten unsere Kanten zur Erheiterung und zum Behagen einander zu. Seine frohe gemütliche Sinnlichkeit und mein in sich geschlossenes Wesen traten schärfer hervor und gaben Anlass, uns mit entsprechenden Namen zu bezeichnen.“ Vom frühen Tod Schuberts 1828 war Mayrhofer tief erschüttert. Er schrieb in einem Gedicht über seinen Freund: „An Franz. / Du liebst mich! Tief hab ich es empfunden, / du treuer Junge, zart und gut ...“. An Frauen war Mayrhofer nicht interessiert. Wie eng die Verbindung zwischen Schubert und Mayrhofer war und wie sie sich äußerte, ist nicht belegt. Die Forschungsliteratur ist sich hierzu bemerkenswert uneinig.

Unser Abend mit Liedern von Franz Schubert nach Texten von Johann Mayrhofer wagt einen Blick durchs Schlüsselloch in die WG der beiden. Dabei geht es um ein durchaus voyeuristisches Vergnügen, jedoch nicht im allzu wörtlichen Sinne. Wir lassen unserer Phantasie freien Lauf und imaginieren einen Abend, den Mayrhofer und Schubert gemeinsam verbringen. Zufällig ist auch noch die Göttin der Nacht anwesend. Die Nacht und die Erlebnisse, die die Nacht möglich macht, war für das gesamte Biedermeier wie natürlich auch für Schubert und Mayrhofer ein zentrales Motiv. Ein anderes wichtiges Motiv für Schubert und Mayrhofer war das Wasser, das ebenfalls für den Zug ins Unterbewusste steht, das damals freilich noch nicht das Unterbewusste genannt wurde. Ergänzt werden die Lieder durch Texte, die aus Briefen Schuberts und anderen Zeitzeugnissen collagiert wurden, aber auch durch eigene Assoziationen und, unter anderem, Roland Barthes „Fragmente einer Sprache der Liebe“.

Gondelfahrer D 808
Lied eines Schiffers an die Dioskuren D 360
Der zürnenden Diana D 707
Der Schiffer D 536
Am Strome D 539
Fahrt zum Hades D 526
Freiwilliges Versinken D 700
Abschied D 475
Auflösung D 807
Der Sieg D 805

Gondelfahrer D 808

Im nächtlichen Venedig gleitet unter freundlichen Sternen der „Gondelfahrer“ durch die Kanäle wie in der Wiege ein Kind. Die Aufregungen des Tages dringen nur gedämpft an ihn heran, alles schläft, nur der Schiffer wacht. Der Vergleich mit „Im Dorfe“ D 911 Nr. 17 aus der Winterreise liegt nahe. In der Winterreise ist das lyrische Ich ebenfalls allein in der Nacht unterwegs, dort jedoch bedeutend beschwerlicher, nämlich zu Fuß. Die Anfeindungen der Welt sind schärfer, beispielsweise die knurrenden Hund, die in der Klavierbegleitung dargestellt werden. Beide Lieder stehen in wiegendem 6/8 bzw 12/8 Takt, der oft als Taktart benutzt wird, um den Übergang vom Leben zum Tod kennzuzeichnen. Das jeweilige Ende aber ist anders. In der Winterreise sehnt sich das lyrische Ich in den Schlaf zu den anderen Schläfern, der einem Todesschlaf gleicht. Der Gondelfahrer scheint jedoch verklärt zu ewigem Leben zu erwachen. „Gondelfahrer“ aus dem Jahr 1824 ist eine der letzten Vertonungen eines Gedichtes von Mayrhofer durch Schubert, vielleicht sogar die allerletzte. Ernst Deutsch stellt sie jedenfalls ans Ende seines Werkverzeichnisses. Wir beginnen mit dieser Summa einer kongenialen Zusammenarbeit.

Lied eines Schiffers an die Dioskuren D 360

Auch in diesem Lied ist das lyrische Ich als Schiffer unterwegs. Er wird vom Sternbild der Geminiden geleitet. Castor und Pollux, die beiden unzertrennlichen Brüder, waren die Schutzgötter der Seeleute.

Der zürnenden Diana D 707

Die Sage berichtet, dass Aktaion die nackte Jagdgöttin Diana beim Bade überraschte, woraufhin sie ihn, außer sich vor Zorn, von 50 Hunden zerfleischen ließ. Bei Mayrhofer geht es nicht ganz so blutrünstig zu, Diana tötet den Helden mit einem Pfeil. Der Held jedoch stirbt heiter, getröstet durch den Blick, den er auf die strahlende Nacktheit der Göttin erhaschen konnte.

Der Schiffer D 536

Der Schiffer dieses Liedes ist ein Held, der die Elemente bezwingt und den gesellschaftliche Konventionen nicht kümmern. Das musikalische Material des Liedes ist schlicht, fast zu schlicht, so dass Zweifel aufkommen, ob die positivistische Aussage des Liedes vollkommen ernst genommen werden kann.

Am Strome D 539

Panta rhei – alles fließt, so Heraklit. Hier folgen Mayrhofer und Schubert diesem Fluss, Dur und moll durchdringen sich köstlich und wehmütig. Weiß man um den späteren Selbstmord Mayrhofers, kann man dieses Lied kaum ernst genug nehmen.

Fahrt zum Hades D 526

Wieder sind wir in einem Schiff unterwegs, diesmal auf dem Fluss Lethe, der zum Totenreich führt. Die Flussgottheit Lethe, die für das Vergessen steht, bewacht auch Hypnos, den Gott des Schlafes und Sohn der Nyx, der Göttin der Nacht. Düstere Gesellschaft also, auch Tantalos, der gequälteste der griechischen Götter, ist zugegen. Im diesem monumentalen Lied, in dem Schubert tief in die poetische Welt Mayrhofers eintaucht, schwankt das lyrische Ich zwischen kleinen Momenten der Hoffung und großer Hoffnungslosigkeit. Es erkennt schmerzlich, dass alles menschliche Streben umsonst ist.

Freiwilliges Versinken D 700

Der Sonnengott Helios spricht darüber, wie sein tägliches Erlöschen der Nacht Platz macht. Er weiß, dass nur sein Nicht-Tun dem ganz Andern eine ehrliche Chance gibt. Meisterhaft setzt der gerade mal zwanzigjährige Schubert hier größte philosophische Gedanken in Musik. Wüsste man nicht, dass es Schubert war, der dieses Lied 1817 komponiert hat, würde man vermuten, dass es um 1900 entstanden sein muss, so fortgeschritten in der Umgang mit der Harmonik.

Abschied D 475

In diesem Lied spielt Schubert mit dem akustischen Phänomen des Echo, das Klänge wiederholt und verdoppelt. In dieser Verdopplung liegt Trost, weil sie bezeugt, dass etwas bewirkt werden kann, öffnet sich jedoch auch ein doppelter Boden, der alles ins Mehrdeutige fallen lässt. Die Berge sind hier als Ort beschrieben, wo das Heil wohnt, im Gegensatz zu den unbeständigen und eher gefahrvollen Orten des Wassers, die wir bislang hauptsächlich besucht haben. Die Berge sind jedoch weit entfernt und nur als Ideal zu sehen, das unerreichbar bleibt. Die musikalische Textur ist aufs äußerste ausgedünnt und erinnert an Beethoven, Mahler oder gar den späten Liszt.

Auflösung D 807

Weltuntergang, Wut, wildes Weh. In beinahe wagnerischem Furor und äußerster Bitterkeit rast das Lied auf das Ende zu und lässt Zuhörer, Sänger und Pianist erschöpft zurück. Es markiert auch das Ende der Freundschaft zwischen Mayrhofer und Schubert, die sich offensichtlich voneinander entfremdet hatten. Über die Gründe kann man nur spekulieren.

Der Sieg D 805

Hier geht es um Transformation, um den Sieg des Geistes, des eigenen Wollens, über die Niederungen der Welt. Das treffende Wort, den treffenden Ton zu finden, damit die Welt zu Singen anhebt, das war Programm für Mayrhofer wie auch für Schubert. Für Mayrhofer war es Schubert, der dieses Genie besaß. Eduard von Bauernfeld, ein Freund aus dem Kreise Schuberts berichtete später, dass es einzig die Momente waren, in denen Schuberts Musik erklang, in denen sich der ansonsten chronisch verspannte Mayrhofer fallen lassen konnte: „Der eingesunkene Körper des Mannes schien sich weit zu strecken, heiße Tränen des Kummers rannen über seine Wangen.“ Mayrhofer beschreibt hier einen Helden, dessen Hand trifft. Im wahren Leben traf Mayrhofers Hand schlussendlich sich selbst. Schuberts Musik dazu ist warm, groß und weit.

Ulrich Bildstein



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