Fantastic Sounds and How to Find Them
Feierabendkonzert im Oberhafen
Matthieu Stepec ist einer der wenigen klassischen Pianisten, die im Konzert eigene Improvisationen neben große Meister stellen. Ein Abend mit Rameau, Schubert und neuen, fantastischen Klängen.
Das „Extemporieren“ im Konzertsaal endete mit der Romantik. Nach meisterhaft aus dem Stegreif spielenden Musikern wie Franz Liszt und Frédéric Chopin traute sich kaum noch ein Pianist an diese Königsdisziplin. Im Jazz hingegen ist die Improvisation auf der Live-Bühne ebenso unerlässlich wie sie heute noch wesentlicher Bestandteil eines liturgischen Orgelspiels ist. Umso erfreulicher ist es, mit welch unbefangener Reife Matthieu Stepec, der in Berlin Musiktheorie studiert, zu Werke geht und in der Improvisation, im Fantasieren immer neue Klangwelten entstehen und wieder vergehen, gesucht und gefunden werden müssen.
Abendkasse und kleiner Imbiss 17 h, Konzert 18 h, Lounge 19 h
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Matthieu Stepec, Pianist und Komponist
Vorverkauf 9 € / Abendkasse 12 € / Kammerkunstmitglieder frei
Halle 424, Stockmeyerstraße 43, Tor 24, 20457 Hamburg
Jean-Philippe Rameau,
Suite a-moll
Allemande
Courante
Sarabande
Franz Schubert,
Sonate a-moll D. 748
Allegro giusto
Andante
Allegro vivace
Wenn man in Deutschland von Barockmusik am Klavier spricht, meint man fast immer Bach. Doch glücklicherweise gibt es in dieser Epoche auch andere Musik!
Der französische Meister und Erfinder der Tonalität, Jean-Philippe Rameau, komponierte ausgesprochen sinnliche Musik, die sowohl von harmonischer Raffinesse als auch von zahlreichen subtilen Verzierungen lebt. Es ist eine Musik, die eher durch den Kontakt mit dem ursprünglich vorgesehenen Instrument, dem Cembalo, entsteht als durch intellektuelle Forschung.
Die Allemande entfaltet ihre Tonart a-moll langsam und ausdrucksvoll. Aus der Mehrstimmigkeit entstehen delikate Harmonien, die sich mit dem intimeren Klang des Klaviers perfekt darstellen lassen: man möchte diese Musik flüstern, wie ein Geheimnis, das man mit einem Freund mitteilt.
Die Courante (courir = frz: laufen, rennen) ist deutlich spielerischer, und läuft auf der Tastatur hin und her, wie es die Bezeichnung des Satzes verspricht. Durch die Dreistimmigkeit in weiten Lagen in diesem stilisierten Tanzsatz erzeugt Rameau den Ausdruck von hoher Virtuosität: bewegungsfroh und tänzerisch.
Die Sarabande schreitet zunächst, wie es typisch für eine Sarabande ist, majestätisch voran und lässt die Tonart A-Dur glanzvoll erstrahlen. Im Verlauf des Satzes entstehen durch aufwändige Verzierungen, die Rameau komponierte, so eine Art Schatten. Breite, arpeggierte Akkorde wandern durch weit entfernte Tonarten, sodass diese Sarabande am Ende wirkt wie ein halluzinierendes Gedicht, das jäh endet – ohne Wiederholungen etc. – bevor man überhaupt begreifen kann, was hier vor sich geht.
Matthieu Stepec
Die Sonate D. 784 hat eine sehr besondere Stellung im Schaffen Schuberts. Sie entstand nach einer langen Krise – zwei Jahre lang hatte der Komponist keine Sonate mehr geschrieben – und es herrscht eine kühle, geradezu geisterhafte Atmosphäre: Schubert ist krank. Er ist 23 und hat Syphilis, die Krankheit, die ihm 8 Jahre später das Leben nehmen wird.
1. Satz: Allegro Giusto. Nackte Themen; Pausen; plötzliche Ausbrüche: merkwürdige Musik. Das zweite Thema, im strahlenden Dur, macht sie nicht weniger unheimlich. Die Durchführung ist von einem punktieren Rhythmus durchdrungen, der an die Wanderer-Fantasie erinnert.
2. Satz: Andante. Cantabile: es singt und singt, aber wie im ersten Satz, warten unheimliche Pausen an jeder Ecke, und ein bedrohliches Motiv lässt Schlimmes vorahnen.
3. Satz: Allegro Vivace. Besessene Triolen: es rennt und rennt, und kennt keine Pause, bis zum 2. Thema, graziös wie ein Walzer. Am Ende stirbt der Walzer: die Bögen verkürzen sich, der Atem fehlt. Doch ein letzter Ausbruch, in unmöglichen Oktaven, beendet das Stück: die Kraft ist noch da, um vor dem Schicksal zu stehen.
Matthieu Stepec
kammerkunst.de/1011/