Félicitations
Feierabendkonzert im Oberhafen

Wir gratulieren Marice Ravel zum 150. Geburtstag mit einem Programm, das Glückwünsche des Hamburgers CPE Bach nach Frankreich sendet.
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Michael Stürzinger, Violine
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Franck-Thomas Link, Klavier
Tickets: 18 € im Online-Vorverkauf, 23 € an der Abendkasse, Mitglieder: 9 €
Wir freuen uns, Ensemble in Residence in der Halle 424 zu sein.
Halle 424, Stockmeyerstraße 43, Tor 24, 20457 Hamburg
Carl Philipp Emanuel Bach,
Sonate für Violine und Klavier Wq. 78 c-moll
Allegro moderato
Adagio ma non troppo
Presto
Carl Philipp Emanuel Bach,
Freye Fantasie fürs Clavier fis-moll H 300 (Wq 67), 1787
Sehr traurig und ganz langsam (Adagio)
Allegretto
Largo
Claude Debussy,
Sonate für Violine und Klavier
Allegro vivo
Intermède, fantasque et léger
Finale, très animé
Maurice Ravel,
Sonate posthume für Violine und Klavier
Carl Philipp Emanuel Bach – der „Hamburger Bach“, wie die Hamburger ihn nennen, und der „Berliner Bach“, wie ihn die Berliner bezeichnen – spielt in der Geschichte der Violinsonate eine entscheidende Schlüsselrolle. Bereits sein Vater, der große Johann Sebastian Bach, hatte mit seinen Sonaten für Violine und „obligates Cembalo“ begonnen, das begleitende Tasteninstrument zu etablieren. Er gedachte ihm nicht nur die begleitenden Harmonien zuzuschreiben, sondern fügte ihm eine auskomponierte, gleichberechtigte Klavierstimme zur Violine hinzu.
Diese Emanzipation des Klaviers ging so weit, dass einige Jahrzehnten später bei Mozart und Beethoven die Violine vom Klavier in eine Art Nebenrolle gedrängt wurde – sozusagen in die Rolle, „die zweite Geige zu spielen“. Mozart und Beethoven bezeichneten ihre Violinsonaten daher als Sonaten für Klavier und Violine. Beethovens Kreutzer-Sonate war sogar mit „Klaviersonate begleitet von einer Violine“ überschrieben. Natürlich wird dieser Bezeichnung den meisten Sonaten nicht gerecht. Nachdem also das Klavier von Vater und Sohn Bach emanzipiert worden war, musste schließlich die Violine selbst emanzipiert werden. Seit Johannes Brahms heißen die Werke in dieser Besetzung wieder „Sonaten für Violine und Klavier“.
C.P.E. Bachs c-moll-Sonate für Violine und obligates Cembalo (oder Klavier) Wq. 78 muss zur Zeit ihrer Uraufführung ein hochmodernes Werk gewesen sein! Der erste Satz wirkt wie ein großes Duett, das in einer Oper auch von zwei Singstimmen gesungen werden könnte. Der langsame Satz in der Mitte der drei Sätze könnte man ebenso bei den freien Fantasien einordnen, derer C.P.E. einige komponiert hat. Diese freien Fantasien waren, ähnlich wie die neue Form der Violinsonate, eine wichtige Inspirationsquelle für Mozart und Haydn. Der letzte Satz ist einerseits ein hochvirtuoser Barocksatz, fast schon typisch, und gleichzeitig gibt er bereits einen Ausblick auf die instrumentale Virtuosität, die später bei Beethoven zu finden sein wird. Auch die Tonart c-moll ist zu dieser Zeit, also kurz nach der Erfindung der wohltemperierten Stimmung, noch ungewöhnlich. Sogar Mozart hat nur sehr selten Sonaten und Instrumentalkonzerte in Moll geschrieben. Bei Beethoven hingegen steht die Tonart c-moll immer im Zusammenhang mit großem Drama und einer ausweglosen Schicksalshaftigkeit (wie in der 5. Symphonie, der „Pathétique“, der letzten Klaviersonate op. 111, dem 3. Klavierkonzert und vielen weiteren Werken).
Carl Philipp Emanuel Bach wird von den Berlinern als der „Berliner Bach“, von den Hanseaten als der „Hamburger Bach“ bezeichnet. Dieser Streit muss wohl unentschieden bleiben, denn in beiden Städten hat der Sohn des großen Johann Sebastian etwa gleich lange gelebt. CPE Bachs Klavierfantasien sind von beispielloser Spontaneität und ziehen Spieler und Zuhörer mit magischer Kraft in die Geistes- und Seelenwelt des Komponisten hinein. Sie sind voll von wechselnden musikalischen Augenblicksbildern, Stimmungsgegensätzen und dramatischen Kontrasten. In seiner Fantasie fis-moll, die ein Jahr vor seinem Tode entstand, stellt Bach zunächst die drei musikalischen Hauptelemente (Adagio, Largo sowie kadenzartige Läufe und Arpeggien) vor und verwebt sie in freier Form miteinander. Den Begriff „Fantasie“ benutzt er mehr im Sinne von „Improvisation“ („quasi improvisando“), und liefert hier das Paradox einer völlig auskomponierten Improvisation. Die formalen Freiheiten, die er sich dabei nimmt, waren zu seiner Zeit radikal neu und finden sich zum Teil erst in der avantgardistischen Musik unserer Tage wieder. Beispielsweise werden in weiten Teilen der Kadenzen die Taktstriche einfach weggelassen, wodurch das feste Metrum, das zu den Grundbausteinen der europäischen Musik gehört, völlig verschwindet. CPE Bachs empfindsamer Stil öffnete das Tor zu einer neuen Epoche, der Klassik - man denke besonders an Beethovens Klaviermusik.
Franck-Thomas Link
Die Sonate für Violine und Klavier von Claude Debussy entstand 1916/17 - mitten im Ersten Weltkrieg und etwa ein Jahr vor Debussys Tod. Der Krieg und die Verschlechterung seiner todbringenden Krankheit hatten Debussy zunächst in eine Schaffenskrise geführt. Während eines Erholungsurlaubs bei Freunden in Pourville in der Normandie fasste er den Plan sechs Sonaten in verschiedenen Besetzungen zu schreiben. „Ich habe die Fähigkeit wieder erlangt, musikalisch zu denken, was mir ein ganzes Jahr nicht gelungen war... nun aber habe ich geschrieben wie ein Besessener, oder wie einer, der am nächsten Tag sterben muss ...“
Die Besonderheit dieses Projekts, das den Komponisten wieder zu seinem Medium zurückfinden ließ, besteht darin, dass er sich hier auf alte französische Kompositionsformen des Barock bezieht. Beispielsweise arbeitet Debussy in seinen Sonatensätzen mit monothematischen Formen, ähnlich wie man sie von Couperin oder Rameau kannte. Neben Ravel gilt Debussy als Vollender des musikalischen Impressionismus. Oft wird er im selben Atemzug mit den Malern Monet oder Renoir erwähnt. Er gilt aber auch als einer der wichtigsten Vertreter der französischen Musik im Sinne von nationaler Musik.
Nur zu leicht wird übersehen, dass Debussy ein Zeitgenosse von „National-Komponisten“ wie Dimitri Schostakowitsch in Russland, Edvard Elgar in England oder Manuel de Falla in Spanien war. Vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges und in einer noch keineswegs globalisierten Welt ist das ein wichtiges Faktum. Ein wesentlicher Aspekt dieses Themas ist Debussys tiefgehende Auseinandersetzung mit der Musik Richard Wagners, die zwar früher entstanden war, aber in Deutschland während des Ersten Weltkrieges eine große Rolle spielte. Das eigentümlich Französische unterstreicht Debussy noch einmal deutlich durch seine Rückbesinnung auf die alten französischen Meister. Leider konnte Debussy von den sechs geplanten Sonaten nur drei fertigstellen, nämlich die Sonate für Harfe, Flöte und Viola, die Sonate für Cello und Klavier und schließlich die Sonate für Violine und Klavier. Sie ist das letzte Werk, das er vollendete.
Franck-Thomas Link
Maurice Ravel hielt es nicht für nötig, diesen ersten Versuch einer Sonate für Klavier und Violine in das Verzeichnis seiner Werke aufzunehmen. Der Einzelsatz wurde im April 1897 vollendet und vermutlich im akademischen Jahr 1897/98 während Gabriel Faurés Kompositionsunterricht am Konservatorium aufgeführt – von Georges Enescu auf der Violine, begleitet vom Komponisten selbst am Klavier. Das Werk blieb in Ravels Archiv erhalten und wurde erst 1975, anlässlich seines 100. Geburtstags, unter dem etwas irreführenden Titel Sonate posthume veröffentlicht.
Die Sonate von 1897 ist jedoch keineswegs ein moderner Nachklang aus Ravels späterer Schaffenszeit. Vielmehr zeigt sie den starken Einfluss der führenden Komponisten der französischen Kammermusik auf den jungen Musiker in seiner Ausbildungszeit. Wahrscheinlich hat Ravel die Partitur später nicht veröffentlicht, weil sie seiner Vorstellung eines modernen, unabhängigen Schaffens nicht entsprach. Das Werk, das von den Sonaten Cèsar Francks und Gabriel Faurés inspiriert ist, passte nicht zu dem Bild, das er von sich für die Nachwelt schaffen wollte.
kammerkunst.de/1256/