360. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg
Klaviermusik von Bach-Busoni, Haydn und Chopin
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Franck-Thomas Link, Klavier
Der Eintritt ist frei.
Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus
Ferruccio Busoni,
Chaconne in d-moll, BWV 1004
aus der Partita Nr. 2 für Violine solo von J. S. Bach
Joseph Haydn,
Variationen f-moll Hob. XVII:6
Un piccolo Divertimento - Andante con variazioni
Frédéric Chopin,
Ballade Nr. 1 g-moll op. 23
Die Chaconne d-moll von Johann Sebastian Bach ist eines der wichtigsten Werke in der gesamten Literatur für Violine solo. Sie ist der letzte Satz der d-Moll Partita und geistig und technisch wahrscheinlich für jeden Geiger eine Art Heiligtum. Abgesehen davon gilt dieses Werk immer auch als Höhepunkt der Form Chaconne. Zwei grundlegende Eigenschaften prägen eine Chaconne: Das Grundthema stammt in seinem Charakter von der Sarabande, einem Schreittanz mit einem schweren Akzent auf dem zweiten Schlag des Taktes. Außerdem ist die Chaconne eine Variationsform, die eigentlich nicht erlaubt, dass der Komponist vom Thema abweicht; d. h. das Thema ist immer mehr oder weniger präsent. Die Chaconne aus der Violinpartita von J. S. Bach hat immer wieder Komponisten und Instrumentalisten dazu angeregt, sie für andere Instrumente umzuschreiben. In modernen Fassungen wird sie von Flötisten und Marimbaphonspielern aufgegriffen. Eine der wichtigsten Klavier-Bearbeitungen ist die von Johannes Brahms für die linke Hand. Die heute gespielte Bearbeitung entstammt der Feder des italienischen Pianisten und Komponisten Ferruccio Busoni aus dem Jahre 1892. Während Brahms sich wörtlich an Bachs Text gehalten und keine einzige zusätzliche Note eingefügt hat, hat sich Busoni virtuose Freiheiten genommen. Diese wurden ihm gelegentlich von Puristen angekreidet. Busoni hat sich jedoch beim Bearbeiten nicht nur mit der Transkription der Töne beschäftigt, sondern auch mit der Transkription des technischen Aufwandes, den dieses Werk im Original dem Geiger abverlangt. In diesem Zusammenhang sprach Claudio Arrau von der „transzendentalen Kraft der technischen Schwierigkeit“. Sicher ist es werktreuer, wenn Brahms diese für den Ausdruck notwendige Schwierigkeit dadurch herstellt, dass er das komplette Werk nur mit einer Hand auf dem Klavier spielen lässt. Während Brahms den barocken Stil der Chaconne erhält, verändert sich die Chaconne bei Busoni zu einem romantischen Klavierstück und spiegelt darin den Geist der Zeit. Die Arbeit an Bachs d-moll Chaconne steht bei Busoni in einer langen Reihe von Bearbeitungen. Er hat u. a. Orgeltoccaten und Choralvorspiele für das Klavier bearbeitet, die noch immer in der ganzen Welt gespielt werden.
Franck-Thomas Link
Als im Jahr 1793 mit Marianne von Genzinger eine treue Freundin Joseph Haydns verstarb, wurde der Komponist möglicherweise durch die schmerzliche Erfahrung dazu veranlasst, die Variationen in f-moll zu schreiben. Interessanterweise ist dieses Werk im Autograph noch mit „Sonata“ betitelt, später wurde es dann in „Un piccolo divertimento“ umbenannt. Der exakte Ursprung der Variationen wird wohl Gegenstand von Spekulationen bleiben, da das Werk ursprünglich für Barbara von Ployer, eine Schülerin Mozarts, geschrieben, letztendlich jedoch 1799 der Baronin Josefine von Braun gewidmet wurde. Das Werk offenbart für Haydn ungewöhnlich tiefe Emotionen, bis hin zum dramatischen und leidenschaftlichen Ausbruch gegen Ende des Stücks.
Die Ballade Nr. 1 g-moll op. 23 ist die erste von vier Balladen, die Frédéric Chopin komponierte. Er entwarf sie 1831 auf einer Reise nach Wien und stellte sie vier Jahre später in Paris fertig. Sie ist Baron Nathaniel Stockhausen gewidmet und erschien 1836 gleichzeitig in Frankreich, England und Deutschland. Balladen sind in der romantischen Klaviermusik zuweilen durch literarische Balladen inspiriert, oft aber gibt es keinen konkreten Inhalt. Die Komposition greift dann vor allem den episch-erzählerischen Charakter und lyrischen Ausdruck der Balladenform auf und macht die Musik zum eigentlichen Inhalt - so auch hier.
Formal ist die Ballade g-moll in einer Mosaikform gehalten, was bedeutet, dass es große Episoden gibt, in denen nicht mit Durchführungstechniken wie z.B. Variationsformen oder Umkehrungen gearbeitet wird, die wie einzelne Blöcke dastehen. Diese Blöcke sind auf literarischer Ebene am ehesten mit einzelnen Geschichten vergleichbar. In diesem brillanten Werk geht jedoch fast jede musikalische Entwicklung motivisch, wenn auch oft versteckt, auf eines der drei Hauptthemen zurück, was den vordergründig poetischen und dramatischen Inhalt des Werkes auf einen musikalisch äußerst fundierten Boden stellt. So gelingt es Chopin meisterhaft, die einzelnen Episoden miteinander zu verbinden und einen großen erzählerischen Bogen zu spannen.
Zunächst öffnet sich der „Vorhang“ mit einer kurzen Unisono-Introduktion, und das melancholische Hauptthema erscheint. Diese erste Exposition bleibt aber nur eine kurze Episode und wird von einem stürmischen zweiten Themenblock überrollt. Nachdem dann auch das dritte lyrische Thema (in Dur) vorgestellt ist, wächst sich jedes der drei Themen in einem dichten Klaviersatz zu dramatischer Größe aus. Kurz bevor die Coda der Ballade erreicht wird, erscheint wieder das erste Thema in seiner ursprünglichen Tonart g-moll, diese Mal allerdings nicht von den zarten Akkorden des Anfangs begleitet, sondern mit getupftem tiefem Orgelpunkt auf der Dominante D. Dieses Klopfen oder Tupfen wirkt fast erschöpft. Und doch bäumt sich das Werk noch einmal wogend auf und steigert in der Coda die Dramatik und Dynamik in einem bis dahin noch nicht dagewesenen Maße.
Franck-Thomas Link
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