Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

348. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Lieder von Hugo Wolf

Jale Papila und Franck-Thomas Link

Der Eintritt ist frei.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Hugo Wolf,
5 Lieder nach Eduard Mörike

Verborgenheit
Das verlassene Mägdelein
Begegnung
Nimmersatte Liebe
Er ist's

Hugo Wolf,
4 Lieder nach Johann Wolfgang von Goethe

Heiß' mich nicht reden
Nur wer die Sehnsucht kennt
So laßt mich scheinen
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen


Verborgenheit (1832)

Im Gedicht „Verborgenheit“ lässt Eduard Mörike einen Menschen zu Wort kommen, der sich von der Welt zurückziehen möchte. Das ist ein typisches Motiv in der Dichtung der Biedermeierzeit: Rückzug ins Private, Einsamkeit und Traurigkeit. Das Ich des Gedichtes will allein mit seinen Gefühlen sein, die allerdings nicht nur von Traurigkeit bestimmt sind. In allen vier Strophen wird auch ein hoffnungsvoller, positiver Aspekt des Rückzugs von der Welt heraufbeschworen, der direkt mit der persönlichen Traurigkeit in Verbindung steht:

„Laßt dies Herz alleine haben | Seine Wonne, seine Pein!“ (1. und 4. Strophe)

„Immerdar durch Tränen sehe | Ich der Sonne liebes Licht.“ (2. Strophe)

„Und die helle Freude zücket | Durch die Schwere, so mich drücket, | Wonniglich in meiner Brust.“

Die 4. Strophe ist eine wörtliche Wiederholung der ersten, wie ein leises Insistieren.


Das verlassene Mägdelein (1829)

In diesem Gedicht spricht eine junge Magd. Sie steht schon am frühen Morgen, „früh, wann die Hähne krähn“ am Herd und macht Feuer. Während sie in die Flammen schaut, wird sie sich über ihre tiefe Trauer bewusst, „ Schön ist der Flammenschein, es springen die Funken; ich schaue so dadrein, in Leid versunken.“ Plötzlich fällt ihr ein, warum sie so traurig ist, sie hatte in der Nacht von dem „treulosen Knaben“ geträumt, der sie verlassen hat. In der letzten Strophe zeigt sich die Hoffnungslosigkeit der gekränkten Liebe:

„Träne auf Träne dann stürzen hernieder; | So kommt der Tag heran, o ging' er wieder!“


Begegnung (1828)

In „Begegnung“ lässt Mörike einen nicht weiter bestimmten Beobachter eine Szene auf der Strasse beschreiben: Zunächst kommt eine junge Frau die Strasse entlanggelaufen und begegnet einem jungen Mann, dem sie allerdings verlegen aus dem Weg geht. Nicht ohne eine gewisse Verschmitztheit beschreibt der Beobachter die Szene mit höchst metaphorischen Geschick. Erst gegen Ende der Beschreibung wird klar, dass die beiden eine Liebesnacht hinter sich hatten und dass sie jetzt verlegen „um die Ecke rauscht“, und er träumt von den „Küssen, die ihm das süße Kind getauscht“.


Nimmersatte Liebe (1828/38)

Voller Ironie lässt Mörike seinen Ich-Sprecher über die Liebe, mehr noch über die erotische Liebe, laut nachzudenken: „So ist die Lieb'!“ Ist der Kernsatz, auf dessen Boden die Betrachtungen des Sprechers entstehen. In der ersten Strophe geht es zunächst um die Tatsache, dass die Liebe „...nicht mit Küssen zu stillen...“ sei, also nimmersatt. In der zweiten Strophe erfahren wir, dass die Liebe jederzeit lustvoll werden will:

„Die Lieb hat alle Stund', neu wunderlich Gelüsten, | wir bissen uns die Lippen wund, da wir uns heute küssten.“

In der nächsten Strophe geht es fast zynisch-ironisch um einen schier sadomasochistischen Aspekt der erotischen Liebe:

„Das Mädchen hielt in guter Ruh, wie's Lämmlein unterm Messer, | ihr Auge bat: nur immerzu, je weher desto besser!“

Mit größtem Humor und Übermut zitiert Mörike am Ende des Gedichtes noch den König Salomon, der bekannt dafür war, über ein großes Harem zu verfügen:

„So ist die Lieb, und war auch so, wie lang es Liebe gibt, | und anders war Herr Salomon, der Weise, nicht verliebt.“ „Nimmersatte Liebe“ gilt als guter Einstieg in Mörikes Liebeslyrik, in der die Spannung zwischen geistiger und erotischer Liebe in höchst virtuoser Form zum Ausdruck kommt.


Er ist's (1829/32)

Das Gedicht mit der Überschrift: „Er ist's“ ist letztlich eine Hymne an das Leben, denn hier wird der Frühling in einer Freudigkeit begrüßt, dass man den 'Frühling' im ersten Atemzug als poetische Metapher für Regeneration und Neubeginn, letztlich biologisches Leben, verstehen kann. Verwahrt in den Armen der Liebe zur Natur, spielen in diesem euphorischen Text wieder die Spannung zwischen zwei unvermeidlichen Polen:

zwischen erotischer Liebe:

„Veilchen träumen schon, | Wollen balde kommen...“

und geistiger Liebe:

„Frühling lässt sein blaues Band | Wieder flattern durch die Lüfte; | Süße, wohl bekannte Düfte | Streifen ahnungsvoll das Land.“

Franck-Thomas Link


Wolfs Mignon-Lieder stammen aus Goethes „Wilhelm Meister“ und gehören zu der Meistergruppe seiner Goethe-Vertonungen. Sie stellen eher eine psychologische Studie als eine Beschwörung poetischer Gedichte dar. Bedrückende Bilder von aufkeimendem Wahnsinn gekoppelt mit einer extrovertierten Sehnsucht charakterisieren die Gestalt der Mignon.

Wolf steht hier auf dem Gipfel seines kompositorischen Ausdrucksvermögens. Seine Mignon-Schöpfung steht in einem reizvollen Kontrast zur zarteren und jüngeren Anlage der Kompositionen Schuberts, Schumanns und Beethovens und treffen eher den Ton des Nervenzeitalters des 20. Jahrhunderts.

Jale Papila


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