336. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg
Α + Ω
Werke von J. S. Bach u. a.
-
Ulrich Bildstein, Bariton
-
Franck-Thomas Link, Klavier
Der Eintritt ist frei.
Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus
Α + Ω
Gregorianische Antiphon, England, vor 1558
„Ego sum Alpha et O“
Johann Sebastian Bach, BWV 751
„In dulci jubilo“
Heinrich Schütz, Kleine Geistliche Konzerte I, SWV 282, Leipzig, 1636
„Eile mich, Gott, zu erretten“
Johann Sebastian Bach, BWV 853
Praeludium und Fuge es-moll
Johann Sebastian Bach
aus: Die Gesänge zu Schemellis Musicalischem Gesang-Buch, Leipzig, 1736
„Morgenlied“, BWV 451
„Von der Geburt Jesu Christi“, BWV 465
„Vom zeitlichen Kreuz und Leiden“, BWV 505
Johann Sebastian Bach
aus: Kantate „Ich habe genug“ BWV 82, 1727
4. Recitativo: Mein Gott! wenn kömmt das schöne: Nun!
5. Aria: Ich freue mich auf meinen Tod
Johann Sebastian Bach
aus: Die Gesänge zu Schemellis Musicalischem Gesang-Buch
„Steh ich bei meinem Gott“, BWV 503
Am 2. Februar, dem 40. Tag nach Weihnachten, feiert die katholische Kirche das Fest Mariä Lichtmess, oder auch Darstellung des Herrn genannt. Lichtmess galt lange als das Ende der Weihnachtszeit. In der Festtagsliturgie der Ostkirche klingt an diesem Tag bereits das Ostermysterium an. Im Schwäbisch-Alemannischen ist Lichtmess der Beginn der Fastnacht. Mit dem 2. Februar begann auch das „Bauernjahr“: ab hier wurde die Feldarbeit wieder aufgenommen. An diesem Tag endete auch das Dienstboten- und „Knechtsjahr“: Das Gesinde bekam den Rest seines Jahreslohnes ausbezahlt und konnte sich eine neue Dienststelle suchen, oder das Arbeitsverhältnis beim alten Dienstherrn, üblicherweise per Handschlag, um ein weiteres Jahr verlängern.
Der 2. Februar ist das Ende von Weihnachten und der Beginn von Ostern – am selben Tag. Außerdem erwacht hier der gärtnerische Umgang mit der Natur – der Beginn aller Kultur – zu neuem Leben, der Jahreskreis beginnt von vorn. Wir befinden uns sozusagen am Nullpunkt des Jahres, wo Anfang und Ende eins ist.
Es liegt Nahe, zu diesem Zeitpunkt darüber nachzudenken, was damit gemeint sein könnte, wenn Jesus sagt: „Ich bin Anfang und Ende“. Die Geburt des Gottes heißt, dass er menschlich wird. Er muss dafür auf seine Außerzeitlichkeit verzichten und in Kauf nehmen, dass er sterben muss. Gleichzeitig bleibt er der außerzeitliche Gott, der in Ewigkeit lebt. Das „+“ im Titel des Konzertes weist auf dieses Paradox hin, ein Kreuz, das die Horizontale und Verikale anzeigt, die man auch als die menschliche Denkweise und die göttliche Seinsweise verstehen kann. Jesu Geburt will darauf hinweisen, dass es als Mensch darum geht, den scheinbaren Dualismus zwischen Schöpfer und Schöpfung zu überwinden. Dies ist, was die Mystiker aller Zeiten als die wesentlichste Erfahrung beschrieben, die ein Mensch machen kann.
In der Abscheidung von Gott liegt Leid und Schmerz, die bei Schütz zum Ausdruck kommen. Augustinus sagte: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir.“
In den barocken Texten, die Bach als Choräle ausgesetzt hat, ist immer wieder Leben und Tod eng aufeinander bezogen. Vielleicht ist für moderne Hörer diese Nähe befremdlich. Im Barock jedoch war es eine übliche Methode der Kunst, die schroffesten Kontraste herzustellen. Sicherlich entspricht es auch Bachs Weltsicht, den Tod als wichtigen Teil des Lebens zu betrachten.
Summa des Lebens ist für Bach „das schönen Nun“. Im letzten Satz seiner Kantate „Ich habe genug“, die er für den 2. Februar komponierte, kommt uns eine wunderbare Auflösung des Paradoxes von der Vertikalen und Horizontalen entgegen. Über die menschliche Vorstellung der Zeit als vertikaler Linie, die einer überzeitlichen göttlichen Natur entgegensteht, wird hier gelacht. Die Enden der Zeit - Anfang und Ende - fügen sich zusammen. Aus dem leidvollen Kreuz wird ein erfüllter Kreis. [ Dass Kreuz und Kreis nur scheinbar unvereinbare Symbole sind, lässt sich aus der Warte der Unendlichkeit, die zeigt, dass beide nur Ausschnitte des Ganzen repräsentieren, leicht verstehn: ∞ ] Ein neuer Jahreskreis beginnt mit einem schwungvollen Walzer im Dreiertakt. „Wir sind der Tanz des Tänzers Gott“, wie Willigis Jäger es formuliert.
Ego sum Alpha et O, primus et novissimus, Initium et Finis,
qui ante mundi principium et in saeculum saeculi vivo in aeternum.
Ich bin das A und das O,
der Erste und der Letzte,
der Anfang und das Ende,
der ich vor Ursprung der Welt in alle Ewigkeit lebe in Ewigkeit.
Offenbarung des Johannes, Kapitel 21, Vers 6
In dulci jubilo,
Nun singet und seid froh!
Alle unsre Wonne
Liegt in praesepio
Sie leuchtet wie die Sonne
Matris in gremio
|: Alpha es et O. :|
In dulci jubilo („In süßer Freude“) ist ein aus dem 14. Jahrhundert stammendes Kirchenlied, das vorwiegend in der Advents- und Weihnachtszeit gesungen wird. Der Liedtext, ein „makkaronisches“ Gedicht (d. h., es besteht aus einer Mixtur zweier Sprachen), wird Heinrich Seuse, einem mittelalterlichen Mysiker, zugeschrieben. Zum ersten Mal in einer Liedersammlung erschien es wohl um 1400; in einer gesicherten Version bei Peter von Dresden 1440.
Eile, mich, Gott, zu erretten, Herr, mir zu helfen!
Es müssen sich schämen und zu Schanden werden,
die nach meiner Seele stehen.
Sie müssen zurückekehren und gehöhnet werden,
die mir übels wünschen,
daß sie müssen wiederum zu Schanden werden,
die da über mich schreien: da;
freuen und fröhlich müssen sein in dir,
die nach dir fragen und dein Heil lieben,
immer sagen: Hoch gelobt sei Gott.
Ich aber bin elend und arm;
Gott, eile zu mir,
denn du bist mein Helfer und Erretter,
mein Gott, verzeuch nicht.
Psalm 70
(verzeuch nicht = zögere nicht)
1. Die güldne Sonne,
Voll Freud und Wonne
Bringt unsern Grenzen
Mit ihrem Glänzen
Ein herzerquickendes,
Liebliches Licht.
Mein Haupt und Glieder,
Die lagen darnieder;
Aber nun steh ich,
Bin munter und fröhlich,
Schaue den Himmel
Mit meinem Gesicht.
2. Mein Auge schauet,
was Gott gebauet
zu seinen Ehren
und uns zu lehren,
wie sein Vermögen sei mächtig und groß
und wo die Frommen
dann sollen hinkommen,
wann sie mit Frieden
von hinnen geschieden
aus dieser Erden vergänglichem Schoß.
12. Kreuz und Elende,
Das nimmt ein Ende;
Nach Meeresbrausen
Und Windessausen
Leuchtet der Sonne
Erwünschtes Gesicht.
Freude die Fülle
Und selige Stille
Darf ich erwarten
Im himmlischen Garten;
Dahin sind meine
Gedanken gericht't.
Text: Paul Gerhardt, 1607-1676
Melodie: Johann Georg Ebeling, 1666
1. Ich freue mich in dir
und heiße dich willkommen,
mein liebstes Jesulein.
Du hast dir vorgenommen,
mein Brüderlein zu sein;
ach ein wie süßer Ton!
Wie freundlich sieht er aus,
der große Gottessohn!
4. Wohlan, so will ich mich
an dich, o Jesu, halten,
und sollte gleich die Welt
in tausend Stücke spalten.
O Jesu, dir, nur dir,
dir leb ich ganz allein.
Auf dich, allein auf dich,
Mein Jesu, schlaf ich ein.
1. Vergiss mein nicht,
vergiss mein nicht, mein allerliebster Gott.
Ach! höre doch mein Flehen,
ach! lass mir Gnad geschehen,
wenn ich hab Angst und Not,
du meine Zuversicht,
vergiss mein nicht, vergiss mein nicht.
4. Vergiss mein nicht,
vergiss mein nicht, wenn itzt der herbe Tod
mir nimmt mein zeitlich Leben,
du kannst ein besseres geben,
mein allerliebster Gott;
hör, wenn dein Kind noch spricht:
Vergiss mein nicht, vergiss mein nicht!
Mein Gott! Wann kommt das schöne: Nun!
Da ich im Friede fahren werde
Und in dem Sande kühler Erde
Und dort, bei dir, im Schoße ruhn?
Der Abschied ist gemacht,
Welt, gute Nacht!
Ich freue mich auf meinen Tod,
Ach, hätt er sich schon eingefunden.
Da entkomm ich aller Not,
Die mich noch auf der Welt gebunden.
Unbekannter Textdichter
1 Steh ich bei meinem Gott
in unverrückten Gnaden,
so kann mir keine Not
an meiner Seelen schaden.
Kommt gleich ein Unfall her,
weiß ich, dass, der ihn sendet,
der ihn zu seiner Ehr
und meinem Besten wendet.
14 Drum sag ich noch einmal:
Bin ich bei Gott in Gnaden,
kann keine Not noch Qual
mir an der Seele schaden.
Glaub und Gebet und Fleiß
wird endlich das erfüllen,
dass ich mit Dank und Preis
stets ehre Gottes Willen.
T: Johann Daniel Herrenschmidt (1714)
Ulrich Bildstein
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