Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

335. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

C. M. v. Weber, Trio op. 63; Heitor Villa-Lobos, The Jet Whistle


Der Eintritt ist frei.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Tagesprogramm als PDF


Carl Maria von Weber,
Trio für Flöte, Violoncello und Klavier op. 63

Allegro moderato
Scherzo
Schäfers Klage
Finale

Heitor Villa-Lobos,
Assobio a Jato, The Jet Whistle für Flöte und Violoncello, 1950

Allegro non troppo
Adagio
Vivo


Carl Maria von Webers Trio für Flöte, Violoncello und Klavier op. 63 wird mit einem besinnlichen, aber virtuosen Allegro moderato eröffnet. Dieser Satz ist ein gutes Beispiel für Webers historische Positionen zwischen zwei Epochen. Formal ist dieser Sonatenhauptsatz noch völlig der Klassik verpflichtet, verweist aber durch die großen Bögen der Melodien und teilweise aufwendigen Spieltechniken auf die sich gerade entwickelnde Romantik. Jedes Instrument hat eine unabhängige Stimme, seit Beethoven waren die Triopartner emanzipiert.

Im Scherzo, dessen Hauptthema eine Reminiszenz an das Scherzo aus Beethovens „Frühlingssonate“ sein könnte, stellt Weber zwei unterschiedliche Aspekte gegenüber. Das Hauptthema hat durch seinen rhythmischen Schwung und abrupte dynamische Wechsel eine beinahe martialische Wirkung, während uns die ländlerartigen Zwischenspiele in eine verspielte, volkstümliche Welt führen.

Im dritten Satz „Schäfers Klage“ bezieht sich Weber höchstwahrscheinlich auf das Gedicht („Schäfers Klagelied“) von Johann Wolfgang von Goethe, mit dem sich auch Franz Schubert als Liedkomponist eingehend beschäftigt hat.

Im Finale führt uns Weber zunächst in eine Irre. Der Beginn des Satzes im Klavier erweckt die Erwartung, dass jetzt eine große Fuge entsteht. Doch plötzlich bricht das Klavier in vollgriffigen Akkorden aus und verlässt den transparenten Duktus der Fuge. In großer Ausgelassenheit werfen sich die drei Instrumente virtuose Figurationen zu wie Bälle. Ähnlich wie im Scherzo spielt Weber hier mit den großen Kontrasten des einerseits strengen fugenhaften Themas und äußerst volkstümlichen Einwürfen. Die schier grenzenlose Heiterkeit, die entsteht, ist als Gegengewicht zu den drei ersten Sätzen zu verstehen, die in ihrem Inhalt jeweils von emotionalen Kontroversen bestimmt sind.

Franck-Thomas Link


Das Duo für Flöte und Cello mit dem Namen „Jet Whistle“ steht in einer Reihe von Duos, die Heitor Villa-Lobos für ein hoch- und ein tiefangesiedeltes Instrument komponierte. Die Duos wirken wie mikroskopische Kompositionsstudien, in denen Villa-Lobos die Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Instrumente erforschte. Im Gegensatz zu seinen Orchester- und Klavierwerken, die sich durch ein hohes Maß an Klang-Homogenität auszeichnen, kreiert Villa-Lobos durch die Verwendung zweier Instrumente, deren klangliches Spektrum weit auseinander liegt, eine für ihn untypische Kargheit, auf die man sich zunächst einhören muss. Den Effekt, sehr hohe und sehr tiefe Einzelstimmen ohne ein verbindendes Klanggeschehen zwischen den beiden Stimmen zu kombinieren, lotete Beethoven in seiner späten Klaviermusik zum ersten Mal aus. Beethoven bediente sich dieser Technik, um Abschied, Einsamkeit und Endzeitstimmung Ausdruck zu verleihen Die Duos von Villa-Lobos kommen, neben ihrer brasilianisch-emotionalen Tiefe, fröhlich daher. Heitor Villa-Lobos war nie ein Forscher im akademischen Sinn, doch hat er die Musikgeschichte durch akribische Arbeit bereichert. Er war ein großer Künstler, der auch selbst vor das Publikum trat, meist als Dirigent, und gilt als der wichtigste brasilianische Komponist. Der Titel „Jet Whistle“ bezeichnet auch eine Spieltechnik, die Flötisten in der zeitgenössischen Musik etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts benutzen. Bei dieser Spieltechnik wird das Anblasloch der Flöte ganz mit den Lippen umschlossen, der Luftstrom wird nicht - wie bei der ursprünglichen Klangerzeugung - über das Anblasloch hinweg geblasen, sondern direkt in die Flöte hinein, wobei ein Pfeif-Geräusch entsteht. Dieses Geräusch kann sowohl durch das Drehen der Flöte, als auch durch Vokalbildung im Mund modeliert werden. Villa-Lobos nutzt diesen Effekt am Ende des letzten Satzes.

Franck-Thomas Link


Mehr zur Reihe Lunchkonzerte in der Handelskammer Hamburg.