Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

332. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Werke von Ferruccio Busoni, Joseph Haydn und Sergej Prokofjew


Der Eintritt ist frei.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Tagesprogramm als PDF


Ferruccio Busoni,
Chaconne in d-moll, BWV 1004

aus der Partita Nr. 2 für Violine solo von J. S. Bach

Joseph Haydn,
Sonate D-Dur Hob. XVI 37

Allegro con brio
Largo e sostenuto
Finale. Presto ma non troppo

Sergei Sergejewitsch Prokofjew,
Klaviersonate Nr. 3 a-moll op. 28 (1907/17)

Allegro tempestoso


Die Chaconne d-moll von Johann Sebastian Bach ist eines der wichtigsten Werke in der gesamten Literatur für Violine solo. Sie ist der letzte Satz der d-Moll Partita und geistig und technisch wahrscheinlich für jeden Geiger eine Art Heiligtum. Abgesehen davon gilt dieses Werk immer auch als Höhepunkt der Form Chaconne. Zwei grundlegende Eigenschaften prägen eine Chaconne: Das Grundthema stammt in seinem Charakter von der Sarabande, einem Schreittanz mit einem schweren Akzent auf dem zweiten Schlag des Taktes. Außerdem ist die Chaconne eine Variationsform, die eigentlich nicht erlaubt, dass der Komponist vom Thema abweicht; d. h. das Thema ist immer mehr oder weniger präsent. Die Chaconne aus der Violinpartita von J. S. Bach hat immer wieder Komponisten und Instrumentalisten dazu angeregt, sie für andere Instrumente umzuschreiben. In modernen Fassungen wird sie von Flötisten und Marimbaphonspielern aufgegriffen. Eine der wichtigsten Klavier-Bearbeitungen ist die von Johannes Brahms für die linke Hand. Die heute gespielte Bearbeitung entstammt der Feder des italienischen Pianisten und Komponisten Ferruccio Busoni aus dem Jahre 1892. Während Brahms sich wörtlich an Bachs Text gehalten und keine einzige zusätzliche Note eingefügt hat, hat sich Busoni virtuose Freiheiten genommen. Diese wurden ihm gelegentlich von Puristen angekreidet. Busoni hat sich jedoch beim Bearbeiten nicht nur mit der Transkription der Töne beschäftigt, sondern auch mit der Transkription des technischen Aufwandes, den dieses Werk im Original dem Geiger abverlangt. In diesem Zusammenhang sprach Claudio Arrau von der „transzendentalen Kraft der technischen Schwierigkeit“. Sicher ist es werktreuer, wenn Brahms diese für den Ausdruck notwendige Schwierigkeit dadurch herstellt, dass er das komplette Werk nur mit einer Hand auf dem Klavier spielen lässt. Während Brahms den barocken Stil der Chaconne erhält, verändert sich die Chaconne bei Busoni zu einem romantischen Klavierstück und spiegelt darin den Geist der Zeit. Die Arbeit an Bachs d-moll Chaconne steht bei Busoni in einer langen Reihe von Bearbeitungen. Er hat u. a. Orgeltoccaten und Choralvorspiele für das Klavier bearbeitet, die noch immer in der ganzen Welt gespielt werden.

Franck-Thomas Link


Joseph Haydns Sonate D-Dur Hob. XVI 37 entstand im Gegensatz zu den meisten anderen Klaviersonaten vor Haydns Übersiedlung nach London. Deshalb liegt es nahe, dieses Werk als Jugendwerk einzuordnen, was aber nur beim ersten Blick stimmig ist. Der erste Satz ist formal klassisch angelegt, so dass er oft herangezogen wird, um Klavierstudenten die reine Form eines klassischen Sonatensatzes zu erklären. Ähnlich wie im zentralen zweiten Satz erinnert sich Haydn in dieser Eröffnung an barocke Gesten, die man von Scarlatti oder Händel kennt. Die virtuose Perfektion des ersten Satzes wirkt, angesichts des fantastisch tiefgreifenden Mittelsatzes, wie eine Irreführung Haydns. Im Zentrum der Sonate steht ein langsamer Satz (Largo e sostenuto) im Sarabande-Rhythmus, der wegen seiner Kürze beinahe übersehen werden könnte. Diese Sarabande ist so ernst und dramatisch, dass sich die Vermutung aufdrängt, dass Haydn mit den fröhlichen Ecksätzen diesen Ernst zu übertönen suchte. Haydn überschreibt das Finale mit „innocentamente“ (ital.= unschuldig). Auch an diesem Übergang wird deutlich, dass es sich um einen jungen Komponisten handeln muss, der den Ernst, den er im langsamen Satz heraufbeschworen hat, mit einem unschuldigen, fröhlichen Rondo zu relativieren versucht, ihn vielleicht selbst noch nicht aushalten kann. Dennoch ist in dieser frühen Sonate Haydns der große, erwachsene Haydn bereits anwesend. Interessant ist auch, dass dieses sublime Jugendwerk erst veröffentlicht wurde, als Haydn schon ca. 50 Jahre alt war. Sicher ist allerdings, dass die Sonate schon viel früher öffentlich gespielt wurde, wahrscheinlich von den Widmungsträgerinnen Franziska und Maria Katherina von Auenbrugger, und dass die Musikhistoriker über Nachweise verfügen, dass das Thema des Finales wie ein Gassenhauer in Wien gesungen und gepfiffen wurde.

Franck-Thomas Link


Sergei Prokofjews Klaviersprache mutet für Nichtrussen heute als typisch russisch an. Dabei wird leicht vergessen, dass Prokovieff eine völlig eigentümliche Klaviersprache entwickelte, die in Russland nicht sofort verstanden und geschätzt wurde. Seine große Klangmacht steht absolut in der russischen Tradition. Er ließ aber, ähnlich wie Debussy und Ravel in Frankreich, die Romantik hinter sich, die in Moskau durch Rachmaninow ja noch blühte. Neu war vor allem, dass er die Tür für Witz und Hässlichkeiten in der russischen Musik öffnete. Man könnte ihn als den Erfinder des skurrilen Humors in der russischen Musik bezeichnen.

Franck-Thomas Link


Mehr zur Reihe Lunchkonzerte in der Handelskammer Hamburg.