329. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg
Solorezital für Klarinette und Kontrabassklarinette
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Sebastian Borsch, Klarinette
Der Eintritt ist frei.
Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus
Sebastian Borsch spielt Bach, Piazolla und Grisey
Astor Piazolla, Tango Etude No. 3
CPE Bach, Sonate a-moll
Poco Adagio
Allegro
Allegro
Gerard Grisey, Deux pièces pour clarinette contrebasse en si bémol
Anubis
Nout
Astor Piazolla, Tango Etude No. 5
Wenn man als Klarinettist heute ein Programm für Klarinette solo zusammenstellt, aber nicht ständig dieselben Stücke spielen oder aber dem Publikum ein rein zeitgenössisches Programm zumuten möchte, ist ein Blick über den Tellerrand des Klarinettenrepertoires oft eine gute Lösung, sowohl für den Musiker, als auch für die Zuhörer. Das heutige Programm beeinhaltet deshalb zwei Werke, welche eigentlich für die Flöte geschrieben wurden, aber mindestens das eine davon wird mittlerweile von vielen anderen Instrumenten ebenso gerne interpretiert.
1747 schrieb CPE Bach, der vor genau dreihundert Jahren geboren wurde, seine dreisätzige Sonate für Flöte-solo (a-moll), die fest zum Repertoire eines jeden Flötisten gehört, der etwas auf sich hält. Die Entstehungszeit dieses Werkes fällt in die Periode seines Lebens, in der er im Dienste des preußischen Königs Friedrichs II. stand, der selber ein guter Flötist war.
Zu Astor Piazollas Spätwerk zählen die „6 Tango-Etüden“ für Flöte Solo aus dem Jahr 1987 zählen, von denen heute zwei erklingen. Deutlich hört man auch in diesem Werk, wie Piazolla um eine Integration der traditionellen Musik in seine eigene Klangwelt bemüht war. Der Argentinische Tango (bzw. das, was wir durch seine Musik dafür halten), der sich ja heute wieder als Gesellschaftstanz großer Beliebtheit erfreut, wurde durch ihn salonfähig, gehört zum allgemeinen Repertoire der klassischen Musik und wird gerne als zeitgenössiche Musik in die heutigen Konzertprogramme integriert.
Es wird deutlich, wie ungenau eine solches Schubladendenken nur sein kann, wenn man Piazolla der heute erklingenden Musik von Gerard Grisey zur Seite stellt, welche sogar einige Jahre früher kompniert wurde. Das einzige Stück dieses Programms, das für Klarinette komponiert wurde, „Anubis – Nout“, hat Grisey unmittelbar nach dem gewaltsamen Tod Claude Viviers 1983 komponiert, dem dieses Stück auch gewidmet ist. Der Titel, der auf zwei antike Gottheiten verweist, die im ägyptischen Totenritual eine wichtige Rolle spielten, deutet darauf hin, dass das Werk als eine Art Totengesang verstanden werden kann.
„Anubis - Nout“ ist ein Beispiel für die von Grisey entwickelte Spektralmusik, die auf der Analyse von Obertonspektren basiert. Eine Obertonreihe entwickelt sich normalerweise von unten nach oben, vom Grundton aus, in immer kleiner werdenden Intervallen. Erklingt derselbe Grundton zweimal nacheinander, aber mit jeweils unterschiedlichem Obertonsprektrum, so empfinden wir dieses als unterschiedliche Klangfarben ein und desselben Tones. In Wahrheit sind diese Farben aber das Klangsprektrum der darüber liegenden Obertöne. Griseys hat nun einen Kompositionsstil entwickelt, der diese Farben hörbar macht. Ist das melodische Material auch begrenzt, so setzt er ein Maximum an Klangfarben ein, bis der Hörer, nun nicht mehr abgelenkt, die Welt über den Grundtönen in ihrer ganzen Fülle, wenngleich Zartheit, wahrzunehmen imstande ist. Die Kontrabassklarinette eignet sich wegen ihres verhältnismäßig starken Obertonsprektrums bei gleichzeitiger Grundtonarmut besonders für diesen Zweck, und Grisey hat die Möglichkeiten dieses jüngsten Mitglieds der Klarinettenfamilie - die Kontrabassklairnette konnte sich erst in der Mittte des 20 Jahrhunderts durchsetzen - klar erkannt und meisterhaft eingesetzt.
Sebastian Borsch
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