Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

310. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Klavierrezital

Richard Wagner, Elegie A-Dur, „Schmachtend“
Johannes Brahms, Intermezzo op. 116 Nr. 5, e-moll
Fabrice Fitch, Wind Up, Drei kurze Stücke (Deutsche Uraufführung)
Johannes Brahms, Paganini-Variationen op. 25, Heft 1



Der Eintritt ist frei.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Tagesprogramm als PDF


Richard Wagner,
Elegie As-Dur, „Schmachtend” WWV 93

Johannes Brahms,
Intermezzo e-moll Op. 116 Nr. 5

Fabrice Finch,
Three Pieces for Piano (Deutsche Uraufführung)

Wind-Up1 Wind-Up (1993 / 1998)
Wind-Up 2 Rockabye (1995/ 1998)
Wind-Up 3 See-Saw („d’après Brahms“) (1996)

Johannes Brahms,
Paganini-Variationen Band 1 Op. 35 Nr. 1


Richard Wagner komponierte dieses kleine Klavierstück in der Entstehungszeit des „Parzifal”. Eine Abschrift ist mit dem 28. Dezember 1881 datiert. Der Titel „Schmachtend” ist eine Vortragsbezeichnung, die Wagner sowohl in „Tristan und Isolde” als auch im „Parzifal” verwendete.

Abgesehen von Transkriptionen von Opern und Orchesterwerken und ein paar studentischen Kompositionen hat Wagner nichts bedeutendes für Klavier solo geschrieben. Vielleicht wollte er dieses musikalische Terrain lieber seinen Schwiegervater, Franz Liszt, überlassen.

In aller Kürze beschwört die Elegie Gefühle wie Sehnsucht, Stille und Traurigkeit herauf. Dieser Aspekt durchdringt alle Meisterwerke Wagners. Die stetig repetierenden Dissonanzen lösen sich schließlich in der selben Art auf wie auch in den Vorspielen zu den beiden oben genannten Opern. Die Herausforderung an den Pianisten in diesem Stück besteht darin, trotz des langsamen Tempos ein echtes „Cantabile“ (ital.: Gesanglichkeit) zu vermitteln.

Nicholas Ashton


Ich habe mich zum einen für dieses merkwürdige Stück aus Brahms später Sammlung von Fantasien und Intermezzi Op. 116 entschieden, weil, ähnlich wie in der Elegie Wagners, das wesentliche Thema die Auflösung einer Dissonanz ist. Die kurzen, immer wiederholten Phrasen, die wie Seufzer anmuten, bewegen sich stets in Richtung einer Dissonanz anstatt sich von ihr zu entfernen. Diesen harmonischen Vorgang lotet Johannes Brahms auf sehr ähnliche Art im 1. Satz seiner 4. Sinfonie aus. Er schafft damit eine rhythmische Doppeldeutigkeit, die sich in Fabrice Fichs drittem Wind-Up-Stück wiederfindet. Fabrice Fich schreibt „d'après Brahms“ im Untertitel. Zwar habe ich ihn nicht gefragt, aber für mich ist offensichtlich, dass Fabrice Fich sich genau auf dieses Intermezzo bezieht. Das ist der andere Grund, warum ich dieses Stück heute spiele.

Nicholas Ashton


Diese kurzen Stücke wurden mit der ursprünglichen Absicht geschrieben, einen ganzen Zyklus von Klavierstücken zu schaffen, die alle durch das Thema Uhrwerk mit einander verbunden sind. Der Komponist Fabrice Fitch hat diesen Zyklus nie fertiggestellt, und diese verbleibenden Fragmente scheinen wie ein Einblick in den düsteren und obsessiven Ausdruck, an den Fabrice Fich eingangs gedacht hatte.

Fabrice Fitch greift in seinen Three Pieces die die unerbittliche Genauigkeit eines laufenden Uhrwerks auf. Der rhythmische Ablauf der mechanischen Bewgungen in diesen Fragmenten ist bis auf das genaueste ausnotiert. Manche Stellen klingen für den Zuhöre wie eine ganz einfache rhythmische Rückung, aber tatsächlich ist in dieser Musik alles rhythmisch augmentierend ausgeschrieben, in einer rein mathematischen Art.

Gelegentlich überlappen sich zwei metrische Impulse, genau so wie zwei Uhren, die neben einander her ticken und sich doch zu gegebener Zeit zufällig kurz begegnen werden. Bei Tik oder Tak. Die Präzision dieser kalkulierten Art und Weise, eine Partitur herzustellen, entwickelte Fabrice u. a. in seinem Studium mit Brian Ferneyhough, dem Angelpunkt zum Thema „metrische Modulation“ zwischen der Ultra-Modernen und den Strömungen von Charles Ives, Alban Berg und Elliot Carter.

Nicholas Ashton


Das Thema dieses 1863 komponierten Werkes ist die Caprice Nr. 24 in a-moll für Violine Solo von Niccolò Paganini. Wie gut sich dieses Thema zum Variieren eignet, hatte Franz Liszt in seiner 6. Paganini-Transkription bereits gezeigt. Später wurde das Thema auch von Sergej Rachmaninov und Witold Lutoslavski verwendet.

Die gesamte Komposition besteht aus zwei Bänden, die jeweils mit dem Thema beginnen, dem je 14 Variationen folgen. Virtuoser Höhepunkt beider Zyklen ist jeweils die letzte Variation. Angesichts dieser Zweiteilung stellt sich die Frage, wie dieses Werk aufgeführt werden soll. Manche Pianisten spielen beide Zyklen nach einander, manche spielen nur einen der beiden Bände, so wie ich es im heutigen Konzert auch tue. Eine dritte Aufführungspraxis ist, die beiden Zyklen mit einander zu verzahnen, so dass sich die Zweiteilung dem Zuhörer nicht mehr erschließt. Alle drei Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile: Tatsache ist aber, dass Johannes Brahms diese Zweiteilung selbst als Form dieses Variationswerkes gewählt hat.

Die Gewandtheit, mit der Brahms mit diesem ursprünglich relativ unkomplizierten Themas umgeht macht beide Bände der Paganini-Variationen zu einer Offenbarung seines unendlichen Einfallsreichtums. Es ist unbestritten, dass Brahms Genie für die Variationsform dem von Bach oder Beethoven in nichts nachsteht.

Brahms wollte mit seinen Papanini-Variationen nicht bloß ein Variationswerk schaffen, sondern er komponierte mit jeder einzelnen Variation auch eine Etüde. Die erste Ausgabe des Werkes wurde unter dem Titel „Studien für das Pianoforte: Variationen über ein Thema von Paganini“ veröffentlicht. Technische Aspekte der Papanini-Variationen beziehen sich in höchst künstlerischer Weise auf die 51 Übungen von Johannes Brahms, in denen spezielle Techniken, die im Brahms'schen Klavierwerk immer eine wesentliche Rolle spielen, studiert werden können: Doppelterzen- und Sexten in beiden Händen, Polyrhythmen, Sprünge, Oktaven, Glissandi, Arpeggien, Triller, komplexe Lauf-Passagen etc. Allerdings steht in diesem Werk musikalische Intelligenz immer im Vordergrund, durch ihren tief gehenden künstlerischen Ausdruck sind die Paganini-Variationen weit von bloßer technische Abspulung entfernt.

Nicholas Ashton


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