Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

309. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Lieder von Mendelssohn und Brahms

Wir befinden uns mitten im Gefühlsüberschwang der deutschen Romantik: Bei Felix Mendelssohn Bartholdy geht es um Nacht und Natur, in denen sich seelische Vorgänge widerspiegeln. In den Liedern von Johannes Brahms hören wir von euphorischer, verklärter und tragischer Liebe erzählen.



Der Eintritt ist frei.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Tagesprogramm als PDF


Lunchkonzert im Oktober 2012

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)

Winterlied op. 19 Nr. 3
Schilflied op. 71 Nr. 4
Tröstung op. 71 Nr. 1
Der Mond op. 86 Nr. 5
Andres Maienlied op. 8 Nr. 8

Johannes Brahms (1833-1897)

Nicht mehr zu Dir zu gehen op 32 Nr. 2
Ach, wende diesen Blick op. 57 Nr. 4
Meine Liebe ist grün op. 63 Nr. 5
Wie bist Du meine Königin op. 32 Nr. 9
Immer leiser wird mein Schlummer op. 105 Nr. 2


Dunkel und zumeist nächtlich geht es in den Liedern von Felix Mendelssohn Bartholdy zu, Komponisten, die man allzu oft nur mit heiteren Tönen assoziiert, wie man sie aus der Hebriden Sinfonie oder aus seiner Sommernachtstraum-Ouvertüre liebt und kennt.

Das „Winterlied“ basiert auf einem Text aus dem Schwedischen, der die traurige Geschichte einer Mutter erzählt, die ihre beiden Kinder verliert. Nachdem die Tochter verschwunden ist, will der Sohn sie im verschneiten Wald suchen, obwohl die Mutter ihn anfleht, nicht in die kalte Nacht hinaus zu gehen. Aber der mutige Junge geht doch, und auch er kommt nicht zurück. Mendelssohn beschreibt in diesem fast volksliedhaften Lied musikalisch meisterhaft den Dialog zwischen Mutter und Sohn in den beiden ersten Strophen und den tragischen Verlust der Mutter am Ende. Es gelingt ihm, in kaum zwanzig Takten musikalisch das lange traurige Warten der Mutter vom tiefen Winter bis zum Frühling, der hier nicht das Wiedererwachen der Natur, sondern die bittere Gewissheit des Verlustes bedeutet, darzustellen.

Nikolaus Lenaus „Schilflied“ wurde musikalisch nicht nur von Mendelssohn beleuchtet. Das Trio „Schilflieder“ für Oboe, Bratsche und Klavier von August Klughardt wurde auch schon in unseren Lunchkonzerten vorgestellt und hat das selbe Gedicht zur Grundlage. Sowohl das Lied als auch das Trio ergeben sich der tiefen Romantik des Textes, der zunächst die Natur am Wasser beschreibt, um in der zweiten Hälfte einen geliebten Menschen zu Wort kommen zu lassen, der an jemanden denkt, von dem er sich längst verabschiedet hat.

Das Lied „Tröstung“ ist die Vertonung eines Gedichtes von Hoffmann von Fallersleben. In diesem Lied kommt Mendelssohns Affinität zur Religion zutage. Gegenstand des Trostes ist hier Gottes Güte, der zentrale Satz dieser Tröstung wird in der dritten Strophe belebt: „Durch die Finsternis der Klage bricht der Freude Morgenstern, bald wird auch Dein Morgen tagen, Gottes Güt' ist nimmer fern.“

In allen Liedern von Mendelssohn, die wir für dieses Konzert ausgewählt haben, spielt die Nacht eine wesentliche Rolle. Nacht als Symbol für große Emotionalität, Beruhigung oder Erkenntnis erfährt durch den Tag, den Frühling, den Trost usw. eine entscheidende Wendung. Das Lied „Der Mond“, dessen Text Emanuel Geibel gedichtet hat, beschreibt die aufgewühlte Liebe eines Menschen, die nur durch den ersehnten Blick des Geliebten zur Ruhe zu verkommen mag. Am Anfang beschreiben Geibel und Mendelssohn die Aufgewühltheit des Liebenden („Mein Herz ist wie die dunkle Nacht, wenn alle Wipfel rauschen“). Der Mond wird hier zum Platzhalter für den Blick des geliebten Menschen, der „dies ungestüme Herz stille“ werden lässt.

Der Titel des Gedichtes „Andres Maienlied“ von Ludwig Hölty bedeutet, dass hier der Frühling, ähnlich wie im „Winterlied“ kein Symbol von Erwachen der Natur ist. Es geht nicht um den Mai an sich, sondern es geht um die Nacht zum 1. Mai, der Walpurgisnacht. Dieses Lied beschwört die Welt der Hexen, die auf „Besenstöcken“ durch die Nacht fliegen und „Belzebub“ und einem „schwarzen Bock“ die Stirn bieten.

Unsere Auswahl aus den Liedern von Johannes Brahms kreist um das Thema der leidenschaftlichen Liebe.

Georg Friedrich Daumers Gedicht „Nicht mehr zu dir zu gehen“ gibt Johannes Brahms den Boden, in meisterhafter Art absolut hingebungsvolle, wahrscheinlich heimliche Liebe nachzuzeichnen. „Ach rede, sprich ein Wort nur, ein einziges, gib Leben oder Tod mir ...“. Man denkt dabei unwillkürlich an die nie offen gelebte Liebe zwischen Brahms und Clara Schumann.

Auch in „Ach, wende diesen Blick“ werden wir Zeuge einer Begegnung zweier Leidensgenossen in puncto Liebe, nämlich Daumer und Brahms. Hier geht es allerdings nicht um eine Aufforderung, „ja“ oder „nein“ zu sagen. Der liebende Sänger wehrt sich gegen noch mehr Pein: „Mit ewig neuem Harm erfülle nicht!“ ist die Forderung des Verliebten, der seine unglückliche Liebe wie den Biss einer Schlange in sein Herz empfindet.

An dieser Stelle brauchen wir eine erklärende Pause vom Liebesleid, mit dem sich Brahms immer wieder in seinen Liedern beschäftigt hat. „Meine Liebe ist grün“ ist eine große Huldigung an das stürmische Liebespotential des Komponisten und natürlich des Dichters Felix Schumann, dem Sohn von Clara und Robert. An dieser Stelle wird deutlich, dass großes Liebesleid nur im Falle von leidenschaftlicher Liebesfähigkeit entstehen kann.

Nach dieser Tröstung lassen wir es noch einmal auf eine Begegnung zwischen den leidenschaftlichen Liebenden Brahms und Daumer ankommen. In dem Lied „Wie bist Du meine Königin“ beschreiben die beiden Autoren die zärtliche Liebe zu der Frau, für die sie bereit sind durch die Wüste zu gehen. „ob auch die herbste Todesqual die Brust durchwüte, wonnevoll“, „Wie bist Du meine Königin, durch sanfte Güte, wonnevoll“.

Doch behält in diesem Zusammenhang das Unglück der unglücklichen Liebe die Oberhand. „Immer leiser wird mein Schlummer“ (Hermann Lingg) beschreibt das Sterben der geliebten Frau auf der anderen Seite. Auf dem Sterbebett sagt sie: „...eine Andre wirst Du küssen, wenn ich bleich und kalt.... willst du mich noch einmal seh'n, o komme bald.“

Franck-Thomas Link


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