288. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg
Lieder von Pauline Viardot-Garcia und Johannes Brahms
Eine Grippe hat das Auftreten von „Quintstärke“ unmöglich gemacht. Wir holen deshalb das im Dezember ausgefallene Konzert mit Jale Papila heute nach und bitten Sie um Ihr Verständnis.
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Jale Papila, Alt
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Franck-Thomas Link, Klavier
Der Eintritt ist frei.
Handelskammer Hamburg, Börsensaal, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus
Pauline Viardot-Garcia,
4 Lieder
„Moriró“ (Toskanische Volksdichtung)
„Hai Luli!“ (de Maistre)
„Cancion de la Infanta“ (Dichter unbekannt)
„Les Filles des Cadix“ (de Musset)
Johannes Brahms,
5 Lieder
Liebestreu op. 3 Nr. 1 (Reinick)
An eine Äolsharfe op. 19 Nr. 5 (Mörike)
Wie bist Du, meine Königin op. 32 Nr. 9 (Daumer)
Meine Liebe ist grün op. 63 Nr. 5 (Felix Schumann)
Mainacht op. 43 Nr. 2 (Hölty)
Die vier Liedern von Pauline Viardot-García sind wahre Kabinettstückchen, in denen sich mit wenigen Pinselstrichen das Lokalkolorit von gleich drei Nationen enthüllt: Italien, Spanien, und Frankreich. Im ersten Lied will eine äußerst temperamentvolle Italienerin vor Liebeskummer sterben, im zweiten stellt sich ein französisches Landmädchen vor, wie es wäre, von ihrem Geliebten verlassen zu werden. Das dritte Lied handelt vom Tod des portugiesischen Thronfolgers, der vom Pferd fällt und stirbt, und damit nicht nur die spanische Prinzessin Isabell zur Witwe macht, sondern auch die Hoffnung auf Vereinigung der Königreiche Spanien und Portugal zerstört, und im vierten geht es schließlich um die kokette Fröhlichkeit der Mädchen im spanischen Cadix. Alle vier Lieder sind voll großer Emotion, und man sieht die berühmte Sängerin Viardot beinahe vor sich, wie sie während einer Soirée mit einem halb angedeuteten ironischen Lächeln ihre Verehrer zur Weißglut treibt.
Das Lied drohte nach dem Tode Robert Schumanns im Jahr 1856 zu einer Domäne biedermeierlicher Kleinmeister zu verkommen. „Das Lied segelt jetzt so falschen Kurs, daß man sich sein Ideal nicht fest genug einprägen kann. Und das ist bei mir das Volklied“, bekannte Johannes Brahms 1860 in einem Brief an Clara Schumann. Eine höhere Natürlichkeit und zweite Naivität wären es folglich, die Brahms im Lied anstrebte. Formal orientiert sich der Großteil seiner rund 200 Sololieder am traditionellen Gestaltungsrahmen: sei es die (variierte) Strophigkeit oder das dreiteilige Liedschema A-B-A. Dennoch sollte man nicht den Fehler begehen, Brahms der Rückschrittlichkeit zu bezichtigen, als sei der Komponist in „alte Bahnen“ geraten. Die Musik ist in seinen Liedern keineswegs gehorsame Dienerin der Poesie; ganz im Gegenteil setzt er weniger das einzelne Wort als den Gehalt der Lyrik in Klänge. So ist der Klavierpart der Brahms-Lieder auch nicht darauf beschränkt, der Gesangsstimme zu „assistieren“, wie es etwa Goethes musikalischer Berater Carl Friedrich Zelter und die Norddeutsche Liederschule gefordert hatten. Die Liedpianisten haben bei Brahms alle Hände voll zu tun, der Klaviersatz zieht alle dynamischen Register und entfaltet mitunter orchestrale Wucht.
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