Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

287. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Weihnachtskonzert

Klaviervariationen



Der Eintritt ist frei.


Handelskammer Hamburg, Börsensaal, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Tagesprogramm als PDF


Ferruccio Busoni,
Chaconne in d-moll, BWV 1004

aus der Partita Nr. 2 für Violine solo von J. S. Bach

Wolfgang Amadeus Mozart,
12 Variationen für über ein französisches Kinderlied

Felix Mendelssohn Bartholdy,
Variations sérieuses op. 54 d-moll


Die Chaconne d-moll von Johann Sebastian Bach ist eines der wichtigsten Werke in der gesamten Literatur für Violine solo. Sie ist der letzte Satz der d-Moll Partita und geistig und technisch wahrscheinlich für jeden Geiger eine Art Heiligtum. Abgesehen davon gilt dieses Werk immer auch als Höhepunkt der Form Chaconne. Zwei grundlegende Eigenschaften prägen eine Chaconne: Das Grundthema stammt in seinem Charakter von der Sarabande, einem Schreittanz mit einem schweren Akzent auf dem zweiten Schlag des Taktes. Außerdem ist die Chaconne eine Variationsform, die eigentlich nicht erlaubt, dass der Komponist vom Thema abweicht; d. h. das Thema ist immer mehr oder weniger präsent. Die Chaconne aus der Violinpartita von J. S. Bach hat immer wieder Komponisten und Instrumentalisten dazu angeregt, sie für andere Instrumente umzuschreiben. In modernen Fassungen wird sie von Flötisten und Marimbaphonspielern aufgegriffen. Eine der wichtigsten Klavier-Bearbeitungen ist die von Johannes Brahms für die linke Hand. Die heute gespielte Bearbeitung entstammt der Feder des italienischen Pianisten und Komponisten Ferruccio Busoni aus dem Jahre 1892. Während Brahms sich wörtlich an Bachs Text gehalten und keine einzige zusätzliche Note eingefügt hat, hat sich Busoni virtuose Freiheiten genommen. Diese wurden ihm gelegentlich von Puristen angekreidet. Busoni hat sich jedoch beim Bearbeiten nicht nur mit der Transkription der Töne beschäftigt, sondern auch mit der Transkription des technischen Aufwandes, den dieses Werk im Original dem Geiger abverlangt. In diesem Zusammenhang sprach Claudio Arrau von der „transzendentalen Kraft der technischen Schwierigkeit“. Sicher ist es werktreuer, wenn Brahms diese für den Ausdruck notwendige Schwierigkeit dadurch herstellt, dass er das komplette Werk nur mit einer Hand auf dem Klavier spielen lässt. Während Brahms den barocken Stil der Chaconne erhält, verändert sich die Chaconne bei Busoni zu einem romantischen Klavierstück und spiegelt darin den Geist der Zeit. Die Arbeit an Bachs d-moll Chaconne steht bei Busoni in einer langen Reihe von Bearbeitungen. Er hat u. a. Orgeltoccaten und Choralvorspiele für das Klavier bearbeitet, die noch immer in der ganzen Welt gespielt werden.

Franck-Thomas Link


Die Melodie des französischen Kinderliedes "Ah! Vous dirai-je, Maman" ist in ganz Europa bekannt, allerdings in den verschiedenen Sprachen auch mit völlig unterschiedlichem Inhalt. Auf französisch ist es ein etwas trotziges Kinderlied, auf schwedisch beispielsweise spricht es von funkelnden Sternen und auf deutsch ist es ein Lied über den Weihnachtsmann. Mozart kannte 1778 diesen Text noch nicht, denn erst 1835 verband Hoffmann von Fallersleben die Melodie mit seinen Versen "Morgen kommt der Weihnachtsmann". Deshalb war Mozarts Interpretation sicher mit dem französischen Inhalt des Liedes verbunden. Es ist anzunehmen, dass seine Variationen dazu beitrugen, dass das Lied in aller Munde war, aber auch die Tatsache, dass die Melodie in ihrer Beschaffenheit eine typische Kinderliedmelodie ist. In Mozarts Variationen entsteht ein besonderer Reiz durch die Spannung zwischen der Einfachheit des Themas und der Virtuosität der Variationen. Trotz rasenden Sechzehntelläufen bleibt der trotzige Charakter des Themas zunächst erhalten und wird durch die Umspielungen zu einer Art witzigen Übermuts. Umspielungen, die in einer Variation der einen Hand gewidmet sind, werden in der folgenden Variation von der anderen Hand übernommen, weiter verändert und der ersten Hand wieder zugespielt. Plötzlich wendet sich alles, das Thema erscheint völlig verändert, zunächst in moll, und dann noch im Gewande eines klassischen langsamen Satzes wie etwa in einem Klavierkonzert. In der letzten Variation, dem Finale, verändert Mozart die Taktart. Durch den schnellen 3/4 Takt endet des Kinderlied, das in kurzer Zeit so viele Veränderungen durchgemacht hat, ein bisschen atemlos.


Die „Variations sérieuses“ op. 54 gelten als das bedeutendste Werk für Klavier solo aus Felix Mendelssohn Bartholdys Feder. Das Thema steht im Andante sostenuto und ist wie ein klassischer Streichquartettsatz gebaut. In seufzenden Synkopen und Vorhalten wird der schmerzliche Charakter, der im Verlauf des groß angelegten Stücks trotz verschiedenster Veränderungen weitgehend erhalten bleibt, heraufbeschworen. Über den Titel wurde in der Fachwelt oft diskutiert, wobei unentschieden blieb, ob sich das „sérieux“ (frz. = „ernst) auf den Charakter der Musik bezieht, oder ob es sich um die Variationstechnik an sich handelt. Denn seit Beethoven hatte die Variationstechnik am Bedeutung gewonnen. Abgesehen von wenigen höchst prominenten Variationswerken, wie z.B. Bachs Goldberg-Variationen, galt bis Beethoven die Variationstechnik als eine eher spielerische Möglichkeit, ein Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Beethoven hattte sich von dieser „losen Folge“ verabschiedet und seine großen Variationswerke zu fast durchgehend dramaturgisch aufgebauten Gesamtsätzen gemacht. Das bedeutete auch, dass sich nun eine Variation oft aus der Struktur der vorangegangenen ergab, entweder durch weitere Durchführung oder starke Kontrastierung. So wurde für die Variationsform gewissermaßen revolutioniert und war nicht länger eine Spielerei, an der sich Komponisten üben konnten wie etwa Instrumentalisten an Etüden. Man kann also vermuten, dass Mendelssohn seinem Werk auch diesen Titel gegeben hat, um darin schon seine kompositionstechnische Absicht zu erklären, die zweifellos von Beethoven, insbesondere von dessen 32 Variationen in c-moll WoO 80, inspiriert war. Aufgrund der technischen Anforderungen an den Pianisten werden die „Variations sérieuses“ oft bei internationalen Klavierwettbewerben als Pflichtstück ausgewählt. Sie sind gewissermaßen ein Katalog aller Klaviertechniken, die bis zur Entstehungszeit des Werkes existierten.

Franck-Thomas Link


Mehr zur Reihe Lunchkonzerte in der Handelskammer Hamburg.