Meisterkonzert
Das Athena Quartett Berlin ist auf internationalen Festivals zu Gast und arbeitete schon mit Komponistengrößen wie György Kurtág und Henri Dutilleux zusammen. In unserem Meisterkonzert im Bürgersaal Wandsbek präsentiert es ein wahrhaft meisterliches Programm:
Schubert, Quartettsatz c-moll op. posthum D 703
Schumann, Streichquartett A-Dur op. 41 Nr. 3
Schubert, Streichquartett Nr. 14 d-moll D 810 »Der Tod und und das Mädchen«
Eintritt: 20 € | 12 € ermäßigt
Karten an der Abendkasse, bei ticket online, bei allen VVK Stellen und telefonisch unter +49 1805 4470111. 14 Cent/Min aus dem Festnetz der T-Com, ggf. abweichende Preise aus den Mobilfunknetzen.
Bürgersaal Wandsbek, Am Alten Posthaus 4, U Wandsbek Markt
Franz Schubert,
Quartettsatz c-moll op. posthum D 703 (komponiert 1820)
Allegro
Robert Schumann,
Streichquartett A-Dur op. 41 Nr. 3 (komponiert 1842)
Andante espressivo - Allegro molto moderato
Assai agitato
Adagio molto
Finale: Allegro molto vivace
Franz Schubert,
Der Tod und das Mädchen, Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810
Allegro
Andante con moto
Scherzo. Allegro molto
Presto
Mit Recht nennt man Franz Schubert einen Großmeister des Liedes. Über 600 Lieder hat er geschrieben. Aber auch die Streichermusik spielte in Schuberts Leben von Kindheit an eine große Rolle. Da in der Familie und im Freundeskreis immer mit Streichinstrumenten musiziert wurde, konnte Schubert seine Werke dort selbst hören und ausprobieren lassen. Sein erstes Streichquartett (in wechselnden Tonarten, D 18) schrieb er im Alter von zwölf Jahren, das letzte Quartett (G-Dur, D 887) entstand 1826. Noch in seinem Todesjahr 1828 komponierte Schubert für Streicher. In seinem berühmten Streichquintett fügte er dem Streichquartett ein zweites Cello hinzu.
Der allein stehende Quartettsatz in c-moll D 703 bezeugt den Eintritt Schuberts in seine kompositorische Reifezeit - der Reifezeit eines Genies, das nur 31 Jahre lang lebte. Zu Beginn der 1820iger Jahre fand Schubert zu seiner ganz eigenen Tonsprache und erweiterte sein Repertoire an Spieltechniken entscheidend. So gelingt es ihm beispielsweise, dem Quartettsatz c-moll D 703 mit den repetierten Sechzehntelfiguren gleich zu Beginn klanglich einen schon fast orchestralen Ausdruck zu verleihen. Ein wesentliches Charakteristikum für Schuberts Reifezeit ist, dass er nun in der Lage war, extreme emotionale Gegensätze auf engstem Raum auszutragen, was in diesem Quartettsatz bereits deutlich wahrnehmbar ist. Man kann in diesem Satz nicht mehr von Haupt- und Seitenthema sprechen. Gleich zu Beginn des Werkes werden wir mit dem dramatischen c-moll Thema und fast gleichzeitig mit dem lyrischen As-Dur Thema vertraut gemacht. Das Ringen dieser beiden gegensätzlichen Themen miteinander bestimmt diesen Quartettsatz und verleiht ihm ein äußerst breites, beinahe schon romantisch zu nennendes emotionales Spektrum.
Franck-Thomas Link
„Auf die Quartette freue ich mich selbst, das Klavier wird mir zu enge, ich höre bei meinen jetztigen Kompositionen oft noch eine Menge Sachen, die ich kaum andeuten kann, namentlich ist es sonderbar, wie ich fast alles kanonisch erfinde“ schrieb Robert Schumann an seine Frau Clara im Jahr 1838. Anders als für Schubert war das Streichquartett nicht Bestandteil des täglichen Lebens von Robert Schumann. Schumann war eigentlich ein Mann des Klaviers. Für ihn bedeutete des Weg zum Streichquartett eine ebenso wichtige Erweiterung in seinem künstlerischen Horizont wie der zum Orchester. Er schrieb nur drei Streichquartette, alle in einem lange vorbereiteten Opus, das im Sommer 1842 fertig gestellt wurde. Zu Beginn der ca. dreijährigen Vorbereitungszeit entwarf Schumann bereits Skizzen für zwei Quartette. Er studierte die Quartette Mozarts und Beethovens gründlich, ehe er sich an die eigentliche Kompositionsarbeit machte. Das A-Dur Quartett ist das dritte in dieser Reihe, was allerdings nicht bedeutet, dass es weiter ausgereift sei als die vorangegangenen Quartette, denn offenbar hat Schumann sein op. 41 als ein Gesamtwerk verstanden.
Der erste Satz wird von einer kurzen langsamen Einleitung eröffnet, gerade so, als ob sich Schumann an den eigentlichen Satz suchend herantastet. Über den Quintfall am Ende dieser Eröffnung scheint Schumann den Themenkopf des ersten Themas im Allegro-Teil des Satzes zu finden: Eine Art Quintruf, gefolgt von polyphonen Achtelpassagen, charakterisiert diesen meisterhaft kontrapunktierten Kopfsatz des Quartetts.
Der zweite Satz ist formal eine Mischform. In beschwingtem Dreierrhythmus mutet er zunächst an wie ein Scherzo, das man in einem großen klassischen Quartett durchaus erwarten könnte. Alledings entwickelt sich der Satz dann so, dass sich das vorgebliche Scherzo in ein Thema mit vier Variationen verwandelt. In diesen Variationen kann man die kanonische Arbeit, von der Robert Schumann in seinem Brief an Clara Schumann sprach, erkennen, insbesondere in den Variationen 2 und 3.
Der langsame Satz an dritter Stelle des Werks ist eine Art Rondo, eine Form, in der eine Melodie immer wiederkehrt, nachdem eine episodenhafte Zwischenmusik abgeschlossen ist.
Diesem lyrisch sehr ausdrucksvollen Satz folgt ein fröhliches Finale, dessen punktierter Rythmus gleich zu Beginn des Satzes etabliert wird und das gesamte Finale beherrscht. Auch dieser Satz ist ein Rondo.
Franck-Thomas Link
Matthias Claudius (1740–1815)
Das Mädchen:
Vorüber! Ach vorüber!
Geh, wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh Lieber!
Und rühre mich nicht an.
Der Tod:
Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
Bin Freund und komme nicht zu strafen.
Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
Sollst sanft in meinen Armen schlafen!
Goethe meinte, „vernünftige Leute sich unterhalten“ zu hören, wenn er einem Streichquartett lauschte. Damit hatte er nicht Unrecht, benutzten doch die Tonsetzer die Gattung Streichquartett für ihr Ringen mit der kompositorischen Form. Schuberts Leitgedanke der musikalischen Unterredung in seinem Quartett D 810 ist dagegen der inhaltliche Konflikt, der in seinem 1817 komponierten Lied „Der Tod und das Mädchen“ ausgetragen wird. Schubert wählt die strenge Form des Streichquartetts, weil er weiß, dass dies zu genau dem kompositorischen Druck führen wird, den er braucht, um ein derart explosives Thema zu behandeln. Wir hören die verzweifelte Angst eines jungen Menschen vor dem Tod, manische Wiederholungen, haltlose Erschütterung. Momente der Hoffnung verstärken die düstere Grundfarbe des Ganzen, keine Verklärung, nirgends. Ein Dialog findet statt, aber von Vernunft ist hier wenig zu spüren. Von einem herrschaftsfreien Diskurs gar sind wir meilenweit entfernt. Dass Schubert ausgerechnet jenen stummen Gewalttäter einlädt, sich als Gesprächspartner zu artikulieren, scheint beinahe öbszön und paradox. Warum jene sinnlose Versuchsanordnung zweier ungleicher Gegner, deren Ausgang schon von vornherein feststeht?
Als Schubert im Winter 1825/1826, also etwa drei Jahre vor seinem Tod mit nicht einmal 31 Jahren das Quartett vollendete, hatte ihn die Syphilis bereits fest im Griff. Aufenthalte im Hospital waren vorangegangen. „Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden“, notiert Schubert am 27. März 1824, also vermutlich während der Arbeit am d-moll-Quartett. Und als dieses beendet ist, wendet er sich an seinen Freund Kupelwieser und gesteht ihm: „Ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten Menschen auf der Welt.“ Und er schreibt weiter: „Denk Dir einen Menschen, dessen Gesundheit nie mehr richtig werden will, u. der aus Verzweiflung darüber die Sache immer schlechter statt besser macht, denke Dir einen Menschen, sage ich, dessen glänzendste Hoffnungen zu Nichte geworden sind, dem das Glück der Liebe u. Freundschaft nichts biethen als höchstens Schmerz.“ Doch dann folgt in seinem Brief ein Stimmungswechsel. Von zwei Quartetten und einem Oktett berichtet er, die er komponiert habe, ein weiteres solle folgen. So wolle er sich den Weg zur „großen Sinfonie bahnen“. Und er wolle wie Beethoven, der demnächst in Wien konzertieren werde, im Folgejahr ebenfalls ein großes Konzert geben.
In Schuberts Quartett D 810 liegt ein trotzig-kathartisches Bekenntnis; wenn man die ungeheure Schaffenskraft bedenkt, mit der Schubert nach seiner Niederschrift weiterarbeitete, erscheint das Quartett beinahe wie ein Durchgang, ein Tor ins Offene. Seine „Versuchsanordnung“ entpuppt sich nicht als Experiment, sondern als die einzige Möglichkeit. Schubert gelingt es, mit einem eiskalten Gespächspartner mit der Eleganz einer Betonmauer ins Gespräch zu kommen. Seine Musik schluchzt, schmeichelt, fleht, tanzt, droht, weint, wettert, verhandelt, dreht sich im Kreise – so dass vor so viel Überzeugungskraft selbst der Tod zuweilen ins Wanken zu kommen zu scheint. Hier entsteht aus Schmerz höchste Menschenwürde.
Ulrich Bildstein
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