272. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg
Violinsonaten von Mozart und Beethoven
Miriam Müller, Violine
Franck-Thomas Link, Klavier
Handelskammer Hamburg, Börsensaal, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus
Wolfgang Amadeus Mozart,
Andante und Fuge KV 402 A-Dur
Andante, ma un poco adagio
Allegro moderato
Ludwig van Beethoven,
Sonate für Klavier und Violine Nr. 1 in D-Dur op. 12
Allegro con brio
Tema con Variationi - Andante con moto
Rondo Allegro
Andante und Fuge einer Sonate A-Dur KV 402 (Sonate Nr. 29) entstanden im August oder September 1782. Am 4. August hatte Wolfgang Amadeus Mozart Constanze Weber geheiratet, und wollte anscheinend eine Reihe von Violinsonaten für seine Frau schreiben. Baron Gottfried van Swieten, der kaiserliche Hofbibliothekar, hatte Mozarts Interesse an Bach und Händel geweckt.
"... ich gehe alle Sonntage um 12 uhr zum Baron von Suiten - und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach. - ich mach mir eben eine Collection von den Bachischen fugen. - so wohl sebastian als Emanuel und friedeman Bach" schreibt er in einem Brief an den Vater am 4. April 1782. Später erklärt er, dass sich seine Frau sehr für Fugen begeistere und ihn gebeten habe, selbst solche zu schreiben. Ob das nun Constanzes tatsächlichen Musikgeschmack spiegelte oder nicht, in jedem Fall wollte Mozart sie seiner Familie im bestmöglichen Lichte erscheinen lassen, nachdem der väterliche Segen erst unmittelbar nach der Hochzeit eingetroffen war und seine Karriere durch die Verheiratung keinen merklichen Fortschritt gemacht hatte.
Das Andante ma un poco adagio weist deutliche Ähnlichkeiten mit dem bekannten Menuett aus Don Giovanni auf. Das Klavier beginnt, dann beteiligt sich die Violine, bevor das Klavier ein zweites Thema und eine Dominantversion des Anfangs spielt. Im Schlussabschnitt wechselt die Tonart, bevor die Violine das Thema der Fuge in a-moll ankündigt. Dieser Satz ist im Stile Händels gehalten und verarbeitet das Thema mit verschiedenen kontrapunktischen Techniken. Das Andante ist im Autograph unvollständig und wurde von Abbé Maximilian Stadler abgeschlossen, der Constanze nach dem Tode ihres Mannes bei der Sichtung der musikalischen Hinterlassenschaft half und vielleicht auch Hand an die Fuge gelegt hat.
Dass Beethovens Wegbereiter Mozart seine Sonaten in gleicher Besetzung als „Sonaten für Klavier und Violine“ bezeichnete, hatte seinen Grund darin, dass die beiden Instrumente in Mozarts Sonaten erst gegen Ende seines Schaffens eine wirkliche Gleichberechtigung erreichten, die die Diskussion über die Reihenfolge der Erwähnung der beteiligten Instrumente überflüssig machte.
Obwohl Beethoven gleich in seiner ersten Violin-Sonate diese Gleichberechtigung übernahm, knüpfte er an die mozartsche Art der Bezeichnung dieser Gattung an und veröffentlichte alle seine Sonaten, auch die Cello-Sonaten, indem er das Klavier zu erst nannte. Das sollte sich nach Beethoven dann ändern. Die Sonate op. 12 Nr. 1 ist die erste von 10 Sonaten in dieser Besetzung, die Beethoven uns hinterlassen hat. Die ersten drei (op. 12) so wie die Sonaten Nr. 6-8 (op. 30) sind als Schwestersonaten mit je einer Opuszahl zusammengefasst. Ursprünglich waren auch op. 23 (a-moll) und op. 24 (Frühlingssonate) als ein Opus geplant, wovon Beethoven und seine Verleger wegen der Popularität der Frühlingssonate dann später Abstand genommen haben.
Ähnlich wie Beethovens Sonaten für Klavier und Violoncello stellen die Geigensonaten eine historische Brücke von der Klassik zur großen romantischen Violinsonate da. Rein kompositorisch und stilistisch wären ohne die Beethoven-Sonaten die Sonaten von Brahms oder Schumann nicht denkbar.
Die D-Dur-Sonate wurde 1798 fertiggestellt und ist ein gutes Beispiel für die frühe Schaffensperiode Beethovens. Sie wird manchmal als "Erstlingswerk" beschrieben, was ihr aber nicht ganz gerecht wird. Zwar ist sie der mozartschen Tradition noch sehr verbunden, aber man darf auch nicht übersehen, dass Beethoven vor der Entstehung dieses Werkes bereits 4 Klaviertrios, 7 Klaviersonaten, 5 Streichtrios, ein Streichquintett und eine Sonate für Klavier zu 4 Händen veröffentlicht hatte. Wenn auch knospenhaft, so ist in dieser Sonate alles enthalten, was den großen Beethoven ausmacht.
Die Sonate wird eröffnet mit einem kurzen 4 taktigen Fanfarenmotiv aus gebrochenen Dreiklängen im Forte, das beide Instrumente unisono vortragen. Dadurch wird sofort der energische Schwung, in dem sich der Satz bewegt, etabliert. In der Durchführung moduliert Beethoven völlig unvorbereitet und eigenwillig nach F-Dur, was trotz der Terzverwandschaft mit der Grundtonart D-Dur wie ein plötzlicher Schritt in eine andere Welt anmutet. Genau die selbe harmonische Technik benutzt Beethoven noch einmal im dritten Satz Rondo-Allegro. Der zweite Satz besteht aus 4 Variationen über ein schlichtes liedhaftes Thema in A-Dur. Bemerkenswert hier ist die dritte Variation, die sich auf einmal in ihrer Dramatik und dem häufigen schnellen dynamischen Wechsel zwischen Fortissimo und Piano vom lyrischen und sanglichen Charakter des Themas und der anderen Variationen abhebt. Die vierte Variation führt uns wieder zurück zum ursprünglichen Dolce-Charakter des Themas und beendet den Satz mit einer improvisatorisch wirkenden Coda. Das Finale ist ein schneller und lustiger Satz im 6/8 Takt, wie man ihn vielleicht auch schon bei Mozart hätte finden können, wäre er etwas kürzer und technisch nicht ganz so aufwändig.
Interessant ist, dass Beethoven in seiner Sonate für Klavier und Violine op. 12. Nr. 1 D-Dur äußerst sparsam mit dynamischen Vortragsbezeichnungen umging. Bei Mozart kommt es öfter vor, dass die Spieler selbst entscheiden müssen, in welcher Nuance sie spielen. Für Beethoven ist dies jedoch äußerst untypisch, er schrieb in den meisten Fällen extrem genau vor, wie gespielt werden sollte. Ein Hauptthema ohne Angabe über laut oder leise lässt den Spielern eine gewisse Freiheit, setzt aber ein sicheres Gespür für Stil voraus.
Auch wenn sich die D-Dur-Sonate op. 12 Nr. 1 in ihrer Architektur an den Vorbildern Mozarts und Haydns orientiert, ist schon in diesem relativ frühen Werk - Beethoven war bereits 27 Jahre alt, als er begann, Violinsonaten zu schreiben - deutlich zu spüren, dass sich Beethoven weniger als Vollender der bestehenden Konvention und Kunstfertigkeit komponierend äußerte, sondern viel mehr bestrebt war, das Bestehende zu erweitern und zu durchbrechen, um neue Wege zu öffnen.
Diese Erweiterungen geschehen im op. 12 im Wesentlichen durch bislang ungewohnte harmonische Vorgänge. Betrachtet man allerdings die Variationstechnik im zweiten Satz der D-Dur-Sonate, so wird man gewahr, dass Beethoven in dieser Zeit bereits eine eigene musikalische Sprache gefunden hatte.
Während Beethoven die Form des ersten Satzes mit ungewöhnlichen Harmonien zu verschleiern sucht, tut er das im tänzerischen Schlussrondo, indem er die beiden Formmuster Rondo und Sonatensatz miteinander verschränkt. Solche Mischformen sind bei Beethoven keine Seltenheit.
Eine harmonische Klammer zwischen den beiden Ecksätzen bilden die Durchführung des ersten Satzes und die wie eine Durchführung wirkende Episode (T. 135ff) des Finales, denn beide Stellen modulieren nach F-Dur, eine Harmonie, die von der Grundtonart D-Dur weit entfernt ist. Einer ähnlichen Konstruktion begegnen wir auch in der a-moll-Sonate op. 23 begegnen.
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