Beethoven und Brahms: Die Brahms-Solisten Hamburg zu Gast bei den Meisterkonzerten in Limburg / Lahn
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Juditha Haeberlin, Violine
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Miriam Götting, Viola
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Saskia Ogilvie, Violoncello
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Corinna Guthmann, Berlin, Violine
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Franck-Thomas Link, Klavier
Josef-Kohlmaier-Halle Limburg
Ludwig van Beethoven,
7 Variationen für Violoncello und Klavier über: Bei Männern, welche Liebe fühlen, 1801
Graf Johann Georg von Browne gewidmet
Ludwig van Beethoven,
Rondo G-Dur für Violine und Klavier WoO 41
Allegro
Ludwig van Beethoven,
Duett mit zwei obligaten Augengläsern für Viola und Violoncello WoO 32, 1796
ohne Satzbezeichnung
Minuetto
Ludwig van Beethoven,
Sonate Nr. 5 für Violine und Klavier F-Dur op. 24, Frühlingssonate
Allegro
Adagio molto espressivo
Scherzo: Allegro molto
Rondo: Allegro ma non troppo
Johannes Brahms,
Klavierquintett f-moll op. 34 (1862-1864)
Allegro non troppo
Andante un poco adagio
Scherzo und Trio (Allegro)
Poco sostenuto - Allegro non troppo
Die Variationen für Violoncello und Klavier über Pamina und Papagenos Duett „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ aus Mozarts „Zauberflöte“ stammen aus Beethovens mittlerer Periode. Er hat noch ein zweites Variationswerk über ein Thema aus der „Zauberflöte“ geschrieben, nämlich über Papagenos „Ein Mädchen oder Weibchen“. Es war durchaus üblich, berühmte Opernthemen kammermusikalisch zu bearbeiten, um diese Musik auch der Hausmusik zugänglich zu machen. Der große Reiz dieser Werke besteht im Kontrast zwischen populären, volksliedhaften Themen und dem kompositorischen Anspruch in der Behandlung der Variationsform, der von den Interpreten höchste technische Brillianz fordert.
Franck-Thomas Link
Das Rondo G-Dur WoO41 erinnert in seiner Spielfreude und scheinbaren Harmlosigkeit direkt an die großen, für Beethoven vorbildlichen Komponisten der Zeit, Mozart und Haydn. Wahrscheinlich war das Stück eine Art musikalischer Gruß nach Hause aus der fernen, und damals für die Musik sehr aufregenden, Stadt Wien. Es ist belegt, dass Beethoven das Stück 1794 nach Bonn schickte und dass es von einem der Bonner Hofmusiker dort abgeschrieben und aufgeführt wurde. Veröffentlicht wurde das Rondo erst lange nach Beethovens Tod. Die Verbundenheit mit seinen großen Vorgängern ist einer der Aspekte, die den "frühen Beethoven" auszeichnen. Ein zweiter Aspekt ist die stürmische Virtuosität, mit der uns der junge Beethoven noch heute mitreißt. Damit zeigte Beethoven bereits als junger Komponist eine Eigenheit, die ihn von seinen großen Idolen absetzte.
Liest man „Duett mit zwei obligaten Augengläsern“ könnte man vermuten, dass es sich hier um ein humoristisches Stück handelt. Der Titel dieses selten gespielten Werkes ist aber eine Widmung an die ersten Interpreten des Stückes, die beide eine Brille trugen. Das zweisätzige Werk wurde nach Beethovens Tod in Skizzenbüchern gefunden und unlesbare Stellen wurden ergänzt. Der erste Satz ist ein ausgedehnter Sonatensatz, der zweite Satz ist ein schnelles Menuett mit Trio. Im selben Skizzenbuch fand man auch Fragmente eines langsamen Satzes, der sich aber nicht wiederherstellen ließ. Es ist anzunehmen, dass Beethoven ursprünglich vorhatte, eine Sonate oder ein anderes zyklisches Werk zu schreiben. Der ungewöhnlichen Besetzung, einem Duett der tiefen Streicher, gewinnt Beethoven ungewohnte Klangfarben und einen hohen virtuosen Reiz ab. Der Grund, warum dieses herrliche Werk so selten gespielt wird, liegt vielleicht in der Diskrepanz zwischen dem lustigen Titel und der Ernsthaftigkeit, mit der das Werk angelegt ist.
Franck-Thomas Link
Ähnlich wie an der fünften und sechsten Symphonie (Schicksalssymphonie und Pastorale) arbeitete Beethoven an der a-moll Sonate op. 23 und an der F-Dur Sonate op. 24, der Frühlings-Sonate, gleichzeitig. Die ungleichen Schwesterwerke sind in ihrem Ausdruck grundverschieden und von geradezu gegensätzlichem Charakter.
Ursprünglich hatte Beethoven beide Sonaten in einem Opus in seinem Wiener Erstdruck von 1801 herausgegeben. Es geht höchstwahrscheinlich auf einen Verlagsfehler zurück, dass sie später unter verschiedenen Opuszahlen veröffentlicht wurden. Obwohl nur wenige Jahre nach den Violinsonaten op. 12 komponiert, sind die beiden 1800/1801 entstandenen Sonaten deutliches Zeugnis von größerer Reife und Eigenständigkeit im Vergleich zu den Mozart und vor allem Haydn zugewandten drei früheren Sonaten. Auch die formale und inhaltliche Dimension ist hier größer: Während Beethoven in der düsteren a-moll Sonate (er hat insgesamt nur zwei Violinsonaten in Moll geschrieben) in allen drei Sätzen eine strenge Dreistimmigkeit durchhält und und der Exposition des ersten Satzes eine unerwartet umfangreiche Durchführung nachstellt, sind die äußeren Merkmale der größeren Dimensioniertheit im Vergleich zu op. 12 bei der Frühlings-Sonate zunächst die Viersätzigkeit: Die Viersätzigkeit in dieser Art gab es in anderen Gattungen, wie Symphonien und großen Klaviersonaten schon länger. Dass Beethoven dieses Format in einer „Sonate pour le Pianoforte avec l'accompagnement d'un violon“ (Sonate für Pianoforte mit der Begleitung einer Violine) einsetzt, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Violinsonate ihre Emanzipation als eigenständige Gattung mit der Enststehung der Frühlings-Sonate geschafft hat. Ein weiteres inhaltliches Merkmal für die Entwicklung der Violinsonate an sich ist die bis dato nie da gewesene Ausgewogenheit in Form und Ausdruck. Nicht ohne Grund ist die Frühlings-Sonate eine der prominentesten und meist aufgeführten Beethoven-Violinsonaten.
Auch wenn der Beiname „Frühlings-Sonate“ nicht von Beethoven selbst kommt, hat er sich so weit durchgesetzt, dass er selbst in der für Urtext und historische Genauigkeit berühmten Henle-Edition in Klammern erwähnt ist. Beide der Schwestersonaten sind sehr extrem in ihrem Ausdruck: Geht es in der a-moll Sonate um eine düstere, tiefsinnige und ernste Welt, führt uns die Frühlings-Sonate in eine heitere, phantastisch harmonische und glückliche Welt, in der sogar im Scherzo Raum für völlig unverschleierten Humor ist, was in der anderen Sonate, etwa im „Andante scherzosos più Allegretto“, auf keinen Fall denkbar wäre.
Zwei Jahre vor der Frühlings-Sonate hat Beethoven zwei andere Werke in der selben Tonart, F-Dur, geschrieben; die fröhlich virtuose Klaviersonate op. 10 Nr. 2 und - in diesem Zusammenhang noch wichtiger - die Romanze für Solovioline und Orchester op. 50. An die Freundlichkeit und Schönheit dieser Romanze erinnert man sich leicht und gerne, wenn man den Anfang der Frühlings-Sonate hört.
Vier Jahre nach der Frühlings-Sonate begann Beethoven die Arbeit an der F-Dur Symphonie, der „Pastorale“ op. 68. Die Frühlings-Sonate kann man in diesem Zusammenhang als einen frühen Ausblick auf diese, von der Schönheit der Natur wie berauschten Glückseligkeit, die Beethoven uns mit seiner Pastorale hinterlassen hat, sehen.
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht lohnend, sich zu fragen, warum Beethoven sowohl gleichzeitig an den beiden Violin-Sonaten in a-moll und F-Dur als auch gleichzeitig an der Schicksalssymphonie und der Pastoralsymphonie gearbeitet hat. Er beschäftigte sich gleichzeitig mit dunkelster Dramatik und ätherischer Schönheit - beides künstlerisch aber säuberlich von einander getrennt. Man könnte mutmaßen, dass es vielleicht für Beethoven bei der Arbeit ein seelischer Ausgleich gewesen sein könnte. Man könnte aber auch weiter gehen und darüber nachdenken, ob solche extremen Ausdrücke vielleicht nur durch einander bedingt entstehen können. Sicher gibt es noch viele Möglichkeiten, die weniger ergründet sein wollen als vielmehr uns Anlass geben können, weiter nachzusinnen.
Auffällig ist ebenfalls, dass die beiden „trostreichen Werke“ dieser beiden Werkpaare, Frühlings-Sonate und Pastorale, in F-Dur stehen, in ihrem Ausdruck sehr verwandt sind, beide zu den beliebtesten Werken von Beethoven überhaupt gehören und dass beide einen prominenten Beinamen haben.
Franck-Thomas Link
Über die Jahre ist bei Brahms - sei es in der Klaviermusik, der Symphonik oder dem Liedschaffen - eine Steigerung in kompositorischer, inhaltlicher und formaler Hinsicht zu beobachten. Brahms war ein überaus selbstkritischer Komponist, der viele seiner Kompositionen, an denen er nur den geringsten Zweifel haben konnte, nicht veröffentlichte und sogar die Noten vernichtete. So erklärt sich, dass die Noten zur ursprünglichen Fassung des Klavierquintett op. 34 nicht mehr aufzufinden sind. Brahms hatte die ersten drei Sätze des Werkes als Streichquintett konzipiert und die Noten seinem Freund, dem Geiger Joseph Joachim, vorgelegt. Dessen Reaktion darauf war für Brahms bestürzend: "So wie das Quintett ist, möchte ich es nicht öffentlich produzieren - aber nur weil ich hoffe, du änderst hie und da einige selbst mir zu große Schroffheiten und lichtest hie und da das Kolorit ...".
Brahms' Reaktion auf diese freundschaftliche, aber vernichtende Kritik war typisch. Er arbeitete das komplette Werk um, zunächst in die große Sonate für zwei Klaviere in f-moll, die er als op. 34 b veröffentlichte und die heute zum Repertoire der Klavierduos gehört. Die Idee, doch wieder zu einer Fassung mit Streichern zurückzukehren und eine Synthese aus der ersten und der zweiten Fassung herzustellen, nämlich mit Klavier und Streichquartett, verdankte Brahms dem Dirigenten Hermann Levi, dem er sehr vertraute. Auf diese Weise dauerte die Arbeit am Klavierquintett op. 34 gut zwei Jahre. Die letzten Werke, die er zuvor für Klavier und Streicher geschrieben hatte, waren die beiden Klavierquartette op. 25 g-moll und op. 26 A-Dur, die beide 1861 entstanden waren. Das berühmte H-Dur Klaviertrio op. 8 war genau zehn Jahre vor dem Quintett uraufgeführt worden. Nach dem Quintett sollte die Klavierkammermusik - mit Ausnahme des Trios für Horn, Violine und Klavier op. 40 - für etwa 20 Jahre ruhen.
Verglichen mit den vorangegangenen Klavierquartetten op. 25 und op. 26 ist der Klang des Quintetts voluminöser, aber auch differenzierter. Das viersätzige Werk wird in der klassischen Klaviertriobesetzung (Geige, Cello und Klavier) eröffnet. In dieser viertaktigen Eröffnung, die mit Ritardando und Fermate quasi fragend und suchend stehen bleibt, wird nicht nur das erste Thema des Satzes vorgestellt. Bei eingehender Analyse wird vielmehr klar, dass das Tonmaterial dieser Einleitung für den Rest des gesamten Werkes von thematischer Bedeutung sein wird. Dieses Prinzip wurde nicht von Brahms erfunden, es findet sich häufig bei seinen Vorgängern wie beispielsweise Beethoven und Schubert. Brahms verschleiert diesen Vorgang jedoch so meisterhaft, daß man hier von einer Vollendung dieser Kompositionstechnik sprechen kann.
Der erste Satz ist ein Sonatenhauptsatz, in dessen umfangreicher Exposition alle Themengruppen des Satzes vorgestellt und gleich auch schon durchgeführt, d. h. variiert und / oder fortgesponnen werden. Die Exposition ist damit größer als die eigentliche Durchführung. Interessant ist, daß Brahms in der Reprise auf die anfängliche Triofassung des ersten Hauptthemas vom Anfang verzichtet, was den Zuhörer in einer wunderbaren Unsicherheit über den dramatischen Verlauf des Satzes hält.
Der zweite Satz ist mit einem großen, schlichten Lied vergleichbar, eigentlich sogar einem zweistimmigen Duett. Dieses wird zunächst vom Klavier gespielt und von den Streichern begleitet und nach einem etwas bewegteren Mittelteil mit teils vertauschten Rollen wieder aufgenommen.
Der dritte Satz ist ein typisch virtuoses Meisterwerk von Brahms. Brahms arbeitet scheinbar mosaikhaft mit drei verschiedenen Themengrupen, was sich aber im Verlauf des Satzes als blockartige Variationstechnik erweist. Am Anfang spielt er mit einem synkopierten, aufgeregten Element, das durch ostinate "Paukenschläge", die er dem Cello zuweist, getragen wird. An zweiter Stelle steht ein nervöses Thema mit punktierten Staccati und Sechzehntelfiguren. Im Laufe des Satzes gewinnt diese zweite Gruppe immer mehr an Bedeutung und die Nervosität des Anfangs entwickelt sich zu größter Dramatik im Fortissimo. Die dritte Themengruppe besteht aus einem schnellen, choralartigen Gesang in großen Akkorden, an die man wieder erinnert wird, wenn das Trio in C-Dur auftaucht. Das Trio scheint das Feuer des Scherzos ein wenig beruhigen zu wollen, es ist aber nicht von gänzlich anderem Charakter. Schließlich gibt es auch zu Anfang des Trios variierte "Paukenschläge" immer noch vom Cello, zu Ende in tatsächlich beruhigender Manier im Klavierbaß. Diese Paukenschläge scheinen wirklich stehen bleiben zu wollen, bis dann die Reprise des Scherzos losbricht und die ursprüngliche Aufregung letztlich im dritten Satz doch beherrschend bleibt.
Wie oft in großen, mehrsätzigen Werken von Brahms ist das Finale auch im Klavierquintett der zeitlich umfangreichste Satz. Neben vielen Reminiszenzen an die vorangegangenen Sätze läßt Brahms hier auch andere Werke anklingen. So beteuern einige Musikwissenschaftler die Ähnlichkeit der langsamen, fast improvisiert klingenden Einleitung des Finales mit der "Faust-Ouvertüre" von Richard Wagner, andere fühlen sich im Hauptthema des Satzes an Schuberts Grand-Duo für Klavier zu vier Händen erinnert. In der Anlage gibt es hie und da auch Ähnlichkeiten zum Finalsatz des Quintetts von Brahms' großem Freund und Förderer Robert Schumann. Dennoch ist dieses Finale ein absolutes Unikat, die oben erwähnten Anspielungen entspringen sicherlich Brahms' Absicht, die große, universelle Bedeutung seines Klavierquintetts op. 34 zu unterstreichen. Das Klavierquintett op. 34 ist der Gipfel der ersten Epoche der Klavierkammermusik von Johannes Brahms.
Franck-Thomas Link
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