259. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg
Rezital mit Werken von Takemitsu und Ligeti
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Franck-Thomas Link, Klavier
Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus
Toru Takemitsu,
Litany (1989)
In Memory of Michael Yyner (for piano)
Toru Takemitsu,
Rain Tree Sketch II (1992)
In Memoriam Olivier Messiaen
György Ligeti,
Musica ricercata
I Sostenuto - Misurato
II Mesto, rigido e cerimoniale
III Allegro con spirito
IV Tempo di Valse (poco vivace - „à l'orgue de Barbarie“)
V Rubato, Lamentoso
VI Allegro molto capricioso
VII Cantabile molto legato
VIII Vivace. Energico
IX Adagio. Mesto (Béla Bartók in memoriam)
X Vivace. Capricioso
XI Andante misurato e tranquillo (Omaggio a Girolamo Frescobaldi)
"Litany" ist eine der ersten Kompositionen Toru Takemitsus. Sie entstand im Jahre 1950, als der Komponist 19 Jahre alt war und mit Tuberkulose das Bett hüten musste. Das Manuskript - das Stück wurde nur ein Mal gespielt und nie gedruckt - ging verloren, Takemitsu bewahrte aber über die Jahre einige Entwürfe auf. Beinahe 40 Jahre später entschied er sich, aus diesen Skizzen und aus der Erinnerung das Stück neu zu schreiben. Anlass war der Tod Michael Vyners, des damaligen künstlerischen Leiters der London Sinfonietta, der Takemitsu, wie viele seiner Komponisten-kollegen, großzügig unterstützt hatte. So entstand aus einem Akt der Erinnerung an ein Musikstück ein Epitaph zum Gedächtnis eines Freundes. Musikalisch lässt sich in "Litany" verschleiert die Klangwelt Duke Ellingtons wiederfinden, den sowohl Vyner wie auch Takemitsu verehrten. Takemitsu behauptete sogar einmal, seine wichtigsten Lehrer seien "Duke Ellington und die Natur".
„Rain Tree Sketch II“ ist Toru Takemitsus letzte Komposition für Klavier. Sie stellt eine Art musikalisches Vermächtnis dar, enthält sie doch Elemente aus mehr als 40 Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Klavier. Die Vortragsbezeichnung für die beiden äußeren Teile des Stücks ist „himmlisch licht“, die zentrale Passage, ein wunderbar zwischen den Händen aufleuchtendes kleines Lied, ist überschrieben mit "freudig". Takemitsu schrieb „Rain Tree Sketch II“ als Epitaph für Olivier Messiaen, der eines seiner großen Vorbilder war. Er scheint hier ganz mit Messiaens Ansicht übereinzustimmen, dass das Paradies ein Ort voller Harmonie und Licht sein muss. Der Titel des Stückes geht auf die Kurzgeschichte „Der kluge Regenbaum“ zurück, die Kenzaburo Oe, mit dem Takemitsu befreundet war, 1980 verfasst hatte: „Der Regenbaum heißt so, weil ihm das Wasser, wenn es nachts einen Schauer gegeben hat, am nächsten Tag bis zum Nachmittag aus den Blättern tropft, als ob es regnet. Andere Bäume werden gleich wieder trocken, er dagegen hat eine Fülle fingerdicker kleiner Blätter, in denen er die Feuchtigkeit bewahrt.“ Takemitsu benutzt in „Rain Tree Sketch II“ messiaensche Kompositionstechniken, um eine überreiche, beinahe kosmisch zu nennende Tonartenfülle herzustellen. Vielleicht imitiert er damit die Fülle des Regenbaums, um seine Musik in eine wahrhaft universelle Sprache zu verwandeln.
Franck-Thomas Link
György Ligetis „Musica ricercata“, die er in den Jahren 1951-53 komponierte, galt bei seiner Ausreise aus Ungarn als sein wichtigster Klavierzyklus (inzwischen sind viele wichtige Klavierstücke, insbesondere die Etüden, entstanden), den er seinerzeit sicher nicht veröffentlichen konnte. Die Zensur kannte seinerzeit in Ungarn kein Pardon, Ligeti hatte künstlerisch einen sehr schweren Stand, zum einen weil er jüdischer Abstammung war, zum anderen weil man seine Musik weder verstehen konnte und noch wollte. Das 10. der 11 Stücke wurde sogar wegen „Dekadenz“ verboten, Ligeti hatte 6 der Stücke für Bläserquintett bearbeitet (u.a. die Nr. 10) und musste vor der Uraufführung dieses Stück wieder zurückziehen.
Der Zyklus ist augmentativ angelegt. Das bedeutet hier, dass das erste Stück zunächst nur mit einem Ton (a in allen auf dem Klavier möglichen Oktaven) spielt, - nur zum Schluss gesellt sich noch ein zweiter Ton (d) dazu. Das zweite Stück spielt mit 2 Tönen (f und fis), auch hier kommt am Ende eine Erweiterung durch einen dritten Ton. Bekannt wurde dieses zweite Stück durch seine Verwendung in Stanley Kubriks Film „Eyes Wide Shut“ (1999). So baut sich der Zyklus auf, bis schließlich im letzten, dem elften Stück, einer langsamen Fuge, die Girolamo Frescobaldi gewidmet ist, alle 12 Töne am musikalischen Geschehen beteiligt sind. Das Thema dieser Fuge ist dem Beginn der „Recercar cromatico post il Credo“ aus Frescobaldis „Messa delli Apostoli“ aus dem Jahre 1635 nachgebildet. In dieser Fuge wechselt Ligeti immer wieder die Möglichkeit einer strengen Befolgung der für diese Art von Fugen üblichen Regeln und deren Karikatur. Er hat diese Fuge später auch für Orgel bearbeitet.
Jahre nach der Entstehung des Werkes sagte er selbst über die Music Ricercata: „1951 begann ich mit sehr einfachen klanglichen und rhythmischen Strukturen zu experimentieren und eine neu Art von Musik, sozusagen vom Nullpunkt ausgehend, aufzubauen. Die Isolation allerdings, in der ich arbeitete, verurteilte meine mutmaßliche Selbstbefreiung zu teilweisem Scheitern, denn das vertraute Bartók'sche Idiom schlug als stilistisches Kennzeichen wie in meiner früheren Musik noch immer durch.“ Neben der Widmung an Frescobaldi (Nr. 11) gibt es in dem Zyklus auch ein Stück, das Bartók gewidmet ist (Nr. 9).
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