Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg
W.A. Mozart, 12 Variationen über "Ah - vous, dirai-je, maman" KV 265
F. Liszt, Ballade Nr. 2 h-moll
-
Franck-Thomas Link, Klavier
Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus
Wolfgang Amadeus Mozart,
12 Variationen für über ein französisches Kinderlied
Franz Liszt,
Ballade Nr. 2 h-moll
Die Melodie des französischen Kinderliedes "Ah! Vous dirai-je, Maman" ist in ganz Europa bekannt, allerdings in den verschiedenen Sprachen auch mit völlig unterschiedlichem Inhalt. Auf französisch ist es ein etwas trotziges Kinderlied, auf schwedisch beispielsweise spricht es von funkelnden Sternen und auf deutsch ist es ein Lied über den Weihnachtsmann. Mozart kannte 1778 diesen Text noch nicht, denn erst 1835 verband Hoffmann von Fallersleben die Melodie mit seinen Versen "Morgen kommt der Weihnachtsmann". Deshalb war Mozarts Interpretation sicher mit dem französischen Inhalt des Liedes verbunden. Es ist anzunehmen, dass seine Variationen dazu beitrugen, dass das Lied in aller Munde war, aber auch die Tatsache, dass die Melodie in ihrer Beschaffenheit eine typische Kinderliedmelodie ist. In Mozarts Variationen entsteht ein besonderer Reiz durch die Spannung zwischen der Einfachheit des Themas und der Virtuosität der Variationen. Trotz rasenden Sechzehntelläufen bleibt der trotzige Charakter des Themas zunächst erhalten und wird durch die Umspielungen zu einer Art witzigen Übermuts. Umspielungen, die in einer Variation der einen Hand gewidmet sind, werden in der folgenden Variation von der anderen Hand übernommen, weiter verändert und der ersten Hand wieder zugespielt. Plötzlich wendet sich alles, das Thema erscheint völlig verändert, zunächst in moll, und dann noch im Gewande eines klassischen langsamen Satzes wie etwa in einem Klavierkonzert. In der letzten Variation, dem Finale, verändert Mozart die Taktart. Durch den schnellen 3/4 Takt endet des Kinderlied, das in kurzer Zeit so viele Veränderungen durchgemacht hat, ein bisschen atemlos.
Die Balladen von Franz Liszt stehen in der romantischen Tradition neben den Balladen von Brahms oder Chopin. Diese Werke sind inspiriert von der literarischen Ballade, dem dramatischen Gedicht. Die formale Freiheit, in der sich der Balladenkomponist bewegen kann, und der dramatische Hintergrund lassen auch an die Form der symphonischen Dichtung denken.
Der h-moll Ballade von Franz Liszt wird nachgesagt, sie sei nach der Lektüre von Schillers Ballade „Hero und Leander“ entstanden, was allerdings nicht belegt ist. Man kann solche Verbindungen nicht direkt in der Komposition wiederfinden, wie das bei der Programmusik möglich ist, so z. B. den Fluss der Moldau bei Smetana oder den Tanz der Kücken bei Mussorgski. Allerdings lassen einige Stellen der h-moll Ballade durchaus Assoziationen zu genannten Schiller-Ballade zu.
Schiller beschreibt in seiner Ballade die heimliche Liebe und den Tod zweier Liebender aus der griechischen Mythologie: Hero, eine Aphrodite-Priesterin, und Leander aus Abydos. Von der Meerenge Hellespont getrennt, können die beiden nur allnächtlich zusammenkommen, indem Leander die brausenden Wogen des Hellespont durchschwimmt. Hero weist ihm die Richtung mittels einer Laterne, mit der sie am Ufer auf ihn wartet. In der beschriebenen Nacht wird aber die Laterne vom Sturm gelöscht und Leander verliert die Orientierung im Wasser. Als Hero ihn am nächsten Morgen tot findet, stürzt auch sie sich in den Tod.
Friedrich Schiller
(1759-1805)
Hero und Leander
Seht ihr dort die altergrauen
Schlösser sich entgegenschauen,
Leuchtend in der Sonne Gold,
Wo der Hellespont die Wellen
Brausend durch der Dardanellen
Hohe Felsenpforte rollt?
Hört ihr jene Brandung stürmen,
Die sich an den Felsen bricht?
Asien riß sie von Europen,
Doch die Liebe schreckt sie nicht.
Heros und Leanders Herzen
Rührte mit dem Pfeil der Schmerzen
Amors heil'ge Göttermacht.
Hero, schön wie Hebe blühend,
Er, durch die Gebirge ziehend
Rüstig, im Geräusch der Jagd.
Doch der Väter feindlich Zürnen
Trennte das verbundne Paar,
Und die süße Frucht der Liebe
Hing am Abgrund der Gefahr.
Dort auf Sestos' Felsenturme,
Den mit ew'gem Wogensturme
Schäumend schlägt der Hellespont,
Saß die Jungfrau, einsam grauend,
Nach Abydos' Küste schauend,
Wo der Heißgeliebte wohnt.
Ach, zu dem entfernten Strande
Baut sich keiner Brücke Steg,
Und kein Fahrzeug stößt vom Ufer;
Doch die Liebe fand den Weg.
Aus des Labyrinthes Pfaden
Leitet sie mit sicherm Faden,
Auch den Blöden macht sie klug,
Beugt ins Joch die wilden Tiere,
Spannt die feuersprühnden Stiere
An den diamantnen Pflug.
Selbst der Styx, der neunfach fließet,
Schließt die Wagende nicht aus,
Mächtig raubt sie das Geliebte
Aus des Pluto finsterm Haus.
Auch durch des Gewässers Fluten
Mit der Sehnsucht feur'gen Gluten
Stachelt sie Leanders Mut.
Wenn des Tages heller Schimmer
Bleichet, stürzt der kühne Schwimmer
In des Pontus finstre Flut,
Teilt mit starkem Arm die Woge,
Strebend nach dem teuren Strand,
Wo auf hohem Söller leuchtend
Winkt der Fackel heller Brand.
Und in weichen Liebesarmen
Darf der Glückliche erwarmen
Von der schwer bestandnen Fahrt
Und den Götterlohn empfangen,
Den in seligem Umfangen
Ihm die Liebe aufgespart,
Bis den Säumenden Aurora
Aus der Wonne Träumen weckt
Und ins kalte Bett des Meeres
Aus dem Schoß der Liebe schreckt.
Und so flohen dreißig Sonnen
Schnell, im Raub verstohlner Wonnen,
Dem beglückten Paar dahin,
Wie der Brautnacht süße Freuden,
Die die Götter selbst beneiden,
Ewig jung und ewig grün.
Der hat nie das Glück gekostet,
Der die Frucht des Himmels nicht
Raubend an des Höllenflusses
Schauervollem Rande bricht.
Hesper und Aurora zogen
Wechselnd auf dem Himmelsbogen,
Doch die Glücklichen, sie sahn
Nicht den Schmuck der Blätter fallen,
Nicht aus Nords beeisten Hallen
Den ergrimmten Winter nahn;
Freudig sahen sie des Tages
Immer kürzern, kürzern Kreis,
Für das längre Glück der Nächte
Dankten sie betört dem Zeus.
Und es gleichte schon die Wage
An dem Himmel Nächt' und Tage,
Und die holde Jungfrau stand
Harrend auf dem Felsenschlosse,
Sah hinab die Sonnenrosse
Fliehen an des Himmels Rand.
Und das Meer lag still und eben,
Einem reinen Spiegel gleich,
Keines Windes leises Weben
Regte das kristallne Reich.
Lustige Delphinenscharen
Scherzten in dem silberklaren
Reinen Element umher,
Und in schwärzlicht grauen Zügen
Aus dem Meergrund aufgestiegen
Kam der Tethys buntes Heer.
Sie, die einzigen, bezeugten
Den verstohlnen Liebesbund,
Aber ihnen schloß auf ewig
Hekate den stummen Mund.
Und sie freute sich des schönen
Meeres, und mit Schmeicheltönen
Sprach sie zu dem Element:
»Schöner Gott! du solltest trügen!
Nein, den Frevler straf' ich Lügen,
Der dich falsch und treulos nennt.
Falsch ist das Geschlecht der Menschen,
Grausam ist des Vaters Herz,
Aber du bist mild und gütig,
Und dich rührt der Liebe Schmerz.
»In den öden Felsenmauern
Müßt' ich freudlos einsam trauern
Und verblühn in ew'gem Harm,
Doch du trägst auf deinem Rücken,
Ohne Nachen, ohne Brücken,
Mir den Freund in meinen Arm.
Grauenvoll ist deine Tiefe,
Furchtbar deiner Wogen Flut,
Aber dich erfleht die Liebe,
Dich bezwingt der Heldenmut.
»Denn auch dich, den Gott der Wogen,
Rührte Eros' mächt'ger Bogen,
Als des goldnen Widders Flug
Helle, mit dem Bruder fliehend,
Schön in Jugendfülle blühend,
Über deine Tiefe trug.
Schnell von ihrem Reiz besieget
Griffst du aus dem finstern Schlund,
Zogst sie von des Widders Rücken
Nieder in den Meeresgrund.
»Eine Göttin mit dem Gotte,
In der tiefen Wassergrotte
Lebt sie jetzt unsterblich fort,
Hilfreich der verfolgten Liebe
Zähmt sie deine wilden Triebe,
Führt den Schiffer in den Port.
Schöne Helle! Holde Göttin!
Selige, dich fleh' ich an:
Bring' auch heute den Geliebten
Mir auf der gewohnten Bahn!«
Und schon dunkelten die Fluten,
Und sie ließ der Fackel Gluten
Von dem hohen Söller wehn,
Leitend in den öden Reichen
Sollte das vertraute Zeichen
Der geliebte Wandrer sehn.
Und es saust und dröhnt von ferne,
Finster kräuselt sich das Meer,
Und es löscht das Licht der Sterne,
Und es naht gewitterschwer.
Auf des Pontus weite Fläche
Legt sich Nacht, und Wetterbäche
Stürzen aus der Wolken Schoß,
Blitze zucken in den Lüften,
Und aus ihren Felsengrüften
Werden alle Stürme los,
Wühlen ungeheure Schlünde
In den weiten Wasserschlund,
Gähnend wie ein Höllenrachen
Öffnet sich des Meeres Grund.
»Wehe! Weh mir!« ruft die Arme
Jammernd. »Großer Zeus, erbarme!
Ach! Was wagt' ich zu erflehn!
Wenn die Götter mich erhören,
Wenn er sich den falschen Meeren
Preisgab in des Sturmes Wehn!
Alle meergewohnten Vögel
Ziehen heim in eil'ger Flucht,
Alle sturmerprobten Schiffe
Bergen sich in sichrer Bucht.
»Ach gewiß, der Unverzagte
Unternahm das oft Gewagte,
Denn ihn trieb ein mächt'ger Gott.
Er gelobte mir's beim Scheiden
Mit der Liebe heil'gen Eiden,
Ihn entbindet nur der Tod.
Ach! in diesem Augenblicke
Ringt er mit des Sturmes Wut,
Und hinab in ihre Schlünde
Reißt ihn die empörte Flut!
»Falscher Pontus, deine Stille
War nur des Verrates Hülle,
Einem Spiegel warst du gleich;
Tückisch ruhten deine Wogen,
Bis du ihn heraus betrogen
In dein falsches Lügenreich.
Jetzt in deines Stromes Mitte,
Da die Rückkehr sich verschloß,
Lässest du auf den Verratnen
Alle deine Schrecken los!«
Und es wächst des Sturmes Toben,
Hoch zu Bergen aufgehoben
Schwillt das Meer, die Brandung bricht
Schäumend sich am Fuß der Klippen,
Selbst das Schiff mit Eichenrippen
Nahte unzerschmettert nicht.
Und im Wind erlischt die Fackel,
Die des Pfades Leuchte war,
Schrecken bietet das Gewässer,
Schrecken auch die Landung dar.
Und sie fleht zur Aphrodite,
Daß sie dem Orkan gebiete,
Sänftige der Wellen Zorn,
Und gelobt den strengen Winden
Reiche Opfer anzuzünden,
Einen Stier mit goldnem Horn.
Alle Göttinnen der Tiefe,
Alle Götter in der Höh'
Fleht sie, lindernd Öl zu gießen
In die sturmbewegte See.
»Höre meinen Ruf erschallen,
Steig aus deinen grünen Hallen,
Selige Leukothea!
Die der Schiffer in dem öden
Wellenreich, in Sturmesnöten,
Rettend oft erscheinen sah.
Reich ihm deinen heil'gen Schleier,
Der, geheimnisvoll gewebt,
Die ihn tragen, unverletzlich
Aus dem Grab der Fluten hebt.«
Und die wilden Winde schweigen,
Hell an Himmels Rande steigen
Eos' Pferde in die Höh'.
Friedlich in dem alten Bette
Fließt das Meer in Spiegelsglätte,
Heiter lächeln Luft und See.
Sanfter brechen sich die Wellen
An des Ufers Felsenwand,
Und sie schwemmen, ruhig spielend,
Einen Leichnam an den Strand.
Ja er ist's, der auch entseelet
Seinem heil'gen Schwur nicht fehlet!
Schnellen Blicks erkennt sie ihn,
Keine Klage läßt sie schallen,
Keine Träne sieht man fallen,
Kalt, verzweifelnd starrt sie hin.
Trostlos in die öde Tiefe
Blickt sie, in des Äthers Licht,
Und ein edles Feuer rötet
Das erbleichte Angesicht.
»Ich erkenn' euch, ernste Mächte,
Strenge treibt ihr eure Rechte,
Furchtbar, unerbittlich ein.
Früh schon ist mein Lauf beschlossen,
Doch das Glück hab' ich genossen,
Und das schönste Los war mein.
Lebend hab' ich deinem Tempel
Mich geweiht als Priesterin,
Dir ein freudig Opfer sterb' ich,
Venus, große Königin!«
Und mit fliegendem Gewande
Schwingt sie von des Turmes Rande
In die Meerflut sich hinab.
Hoch in seinen Flutenreichen
Wälzt der Gott die heil'gen Leichen,
Und er selber ist ihr Grab.
Und mit seinem Raub zufrieden
Zieht er freudig fort und gießt
Aus der unerschöpften Urne
Seinen Strom, der ewig fließt.
Franck-Thomas Link
Mehr zur Reihe Lunchkonzerte in der Handelskammer Hamburg.
kammerkunst.de/513/