Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

428. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Kammermusik für die Mittagspause



CPE Bach gratuliert Maurice Ravel zum 150. Geburtstag!

Auf den ersten Blick haben Carl Philipp Emanuel Bach und Maurice Ravel wenig gemeinsam – nicht zuletzt, weil Ravel 161 Jahre nach CPE Bach geboren wurde. Doch beide prägten den Übergang zwischen zwei musikalischen Epochen.

CPE Bach führte eine neue Freiheit in der Musik ein, es scheint, als würde er das enge Korsett, das sein Vater Johann Sebastian geschnürt hatte, lösen. Damit hat er sehr stark seine Nachwelt, insbesondere W. A. Mozart beeinflusst: freie Fantasien, Sonaten mit obligater Klavierstimme, die mit der Oberstimme im Dialog mit dem Soloinstrument steht, weniger Polyphonie, ein neuer, emotionalerer Umgang mit dem Orchester in seiner Symphonik etc.

Ähnlich befreite sich Ravel von den Fesseln der Romantik. Im französischen Impressionismus wurden deren Ausdrucksmittel weiterentwickelt, die Tonalität aufgelöst und die Moderne vorbereitet.

Trotz des zeitlichen Abstands verbindet beide eine Schlüsselrolle im musikalischen Wandel. Sie waren Erfinder, die mit Mut neue Wege gingen, aber die Traditionen ihrer Vorgänger genau kannten. Sie waren Brückenbauer zwischen musikalischen Welten.

CPE Bach, Freie Fantasie für Klavier solo fis-moll Wq. 67

Maurice Ravel, Kaddish, aus: Deux mélodies hébraïques

CPE Bach, Sonate c-moll für Violine und Klavier Wq. 78

Maurice Ravel, Pièce En Forme de Habanera

In Kooperation mit dem Internationalen Bachfest Hamburg 2025.



Der Eintritt ist frei, Spenden sind herzlich willkommen.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Handelskammer Hamburg


Carl Philipp Emanuel Bach,
Freye Fantasie fürs Clavier fis-moll H 300 (Wq 67), 1787

Sehr traurig und ganz langsam (Adagio)
Allegretto
Largo

Carl Philipp Emanuel Bach,
Sonate für Violine und Klavier Wq. 78 c-moll

Allegro moderato
Adagio ma non troppo
Presto


Carl Philipp Emanuel Bachs Klavierfantasien sind von beispielloser Spontaneität und ziehen Spieler und Zuhörer mit magischer Kraft in die Geistes- und Seelenwelt des Komponisten hinein. Sie sind voll von wechselnden musikalischen Augenblicksbildern, Stimmungsgegensätzen und dramatischen Kontrasten. In seiner Fantasie fis-moll, die ein Jahr vor seinem Tode entstand, stellt Bach zunächst die drei musikalischen Hauptelemente (Adagio, Largo sowie kadenzartige Läufe und Arpeggien) vor und verwebt sie in freier Form miteinander. Den Begriff „Fantasie“ benutzt er mehr im Sinne von „Improvisation“ („quasi improvisando“), und liefert hier das Paradox einer völlig auskomponierten Improvisation. Die formalen Freiheiten, die er sich dabei nimmt, waren zu seiner Zeit radikal neu und finden sich zum Teil erst in der avantgardistischen Musik unserer Tage wieder. Beispielsweise werden in weiten Teilen der Kadenzen die Taktstriche einfach weggelassen, wodurch das feste Metrum, das zu den Grundbausteinen der europäischen Musik gehört, völlig verschwindet. CPE Bachs empfindsamer Stil öffnete das Tor zu einer neuen Epoche, der Klassik - man denke besonders an Beethovens Klaviermusik.

Franck-Thomas Link


Carl Philipp Emanuel Bach spielt in der Geschichte der Violinsonate eine entscheidende Schlüsselrolle. Bereits sein Vater, der große Johann Sebastian Bach, hatte mit seinen Sonaten für Violine und „obligates Cembalo“ begonnen, das begleitende Tasteninstrument zu etablieren. Er gedachte ihm nicht nur die begleitenden Harmonien zuzuschreiben, sondern fügte ihm eine auskomponierte, gleichberechtigte Klavierstimme zur Violine hinzu.

Diese Emanzipation des Klaviers ging so weit, dass einige Jahrzehnten später bei Mozart und Beethoven die Violine vom Klavier in eine Art Nebenrolle gedrängt wurde – sozusagen in die Rolle, „die zweite Geige zu spielen“. Mozart und Beethoven bezeichneten ihre Violinsonaten daher als Sonaten für Klavier und Violine. Beethovens Kreutzer-Sonate war sogar mit „Klaviersonate begleitet von einer Violine“ überschrieben. Natürlich wird dieser Bezeichnung den meisten Sonaten nicht gerecht. Nachdem also das Klavier von Vater und Sohn Bach emanzipiert worden war, musste schließlich die Violine selbst emanzipiert werden. Seit Johannes Brahms heißen die Werke in dieser Besetzung wieder „Sonaten für Violine und Klavier“.

C.P.E. Bachs c-moll-Sonate für Violine und obligates Cembalo (oder Klavier) Wq. 78 muss zur Zeit ihrer Uraufführung ein hochmodernes Werk gewesen sein! Der erste Satz wirkt wie ein großes Duett, das in einer Oper auch von zwei Singstimmen gesungen werden könnte. Der langsame Satz in der Mitte der drei Sätze könnte man ebenso bei den freien Fantasien einordnen, derer C.P.E. einige komponiert hat. Diese freien Fantasien waren, ähnlich wie die neue Form der Violinsonate, eine wichtige Inspirationsquelle für Mozart und Haydn. Der letzte Satz ist einerseits ein hochvirtuoser Barocksatz, fast schon typisch, und gleichzeitig gibt er bereits einen Ausblick auf die instrumentale Virtuosität, die später bei Beethoven zu finden sein wird. Auch die Tonart c-moll ist zu dieser Zeit, also kurz nach der Erfindung der wohltemperierten Stimmung, noch ungewöhnlich. Sogar Mozart hat nur sehr selten Sonaten und Instrumentalkonzerte in Moll geschrieben. Bei Beethoven hingegen steht die Tonart c-moll immer im Zusammenhang mit großem Drama und einer ausweglosen Schicksalshaftigkeit (wie in der 5. Symphonie, der „Pathétique“, der letzten Klaviersonate op. 111, dem 3. Klavierkonzert und vielen weiteren Werken).


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