Das Ende der Zeit
Olivier Messiaen, Quatuor pour la fin du temps
„Der Sinn eines Gefangenen ist die Flucht“, sagte der Klarinettist Henry Akoka, Mitinsasse Olivier Messiaens im Görlitzer Kriegsgefangenenlager und 1940 an der Uraufführung des „Quatuor pour la fin du temps“ beteiligt. Messiaen entgegnete ihm: „In dieses Lager hat mich Gott gestellt. Hier ist mein Platz.“. Ein aufregender Dialog, der dieser überirdisch schönen Musik zur Seite steht. Die ehemaligen Walther-Werke im ehemaligen KZs Neuengamme stellen den Rahmen für dieses Konzert, das sicher ein Höhepunkt in unserem Jubiläumsjahr zum 25. Bestehen des Kammerkunstvereins darstellt.
Ein Konzert des Hamburger Kammerkunstvereins in Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.
Werkeinführung: 14.30 Uhr, in den ehemaligen Walther-Werken
Weitere Angebote der KZ-Gedenkstätte Neuengamme am 25. August 2024:
Sonntagsführung um 12 Uhr mit Mitgliedern des Arbeitskreises kirchliche Gedenkstättenarbeit, Dauer: ca. 2 Stunden
Ausstellung im Projektraum im ehemaligen Kommandantenhaus
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Juditha Haeberlin, Violine
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Udo Grimm, Hannover, Klarinette
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Franck-Thomas Link, Klavier
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Ruben Jeyasundaram, Violoncello
Tickets: 18 € im Online-Vorverkauf hier auf der Website, 23 € an der Abendkasse, Mitglieder: 9 €
KZ-Gedenkstätte Neuengamme, ehemalige Walther-Werke, Jean-Dolidier-Weg 75, 21039 Hamburg
Olivier Messiaen,
Quatuor pour la fin du temps
Kristallene Liturgie
Vokalise für den Engel, der das Ende der Zeit verkündet
Abgrund der Vögel
Zwischenspiel
Lobpreis der Ewigkeit Jesu
Tanz des Zorns für die sieben Posaunen
Wirbel der Regenbögen für den Engel, der das Ende der Zeit verkündet
Lobpreis der Unsterblichkeit Jesu
„Während meiner Gefangenschaft löste der Nahrungsmangel bei mir farbige Träume aus: Ich sah den Regenbogen des Engels und ein seltsames Kreisen von Farben.“- (Oliver Messiaen)
Das „Quatuor pour la fin du temps“ aus dem Jahr 1941 ist eines der wichtigsten kammermusikalischen Werke Olivier Messiaens. Er schrieb das Quartett als Insasse des deutschen Kriegsgefangenenlagers Stammlager VIII-A in Görlitz, Polen. Die ungewöhnliche Instrumentierung ergab sich aus den im Lager verfügbaren Musikinstrumenten. Die Uraufführung fand am 15. Januar 1941 vor ca. 400 Kriegsgefangenen statt. Der Komponist selbst übernahm den Klavierpart, die anderen Instrumente wurden von Mithäftlingen gespielt. „Nie“,sagte Messiaen später, „hat man mir mit so viel Aufmerksamkeit und Verständnis zugehört.“
Trotz der Umstände seiner Entstehung und des programmatischen Hinweises Messiaens auf die Apokalypse des Johannes-Evangliums ist Messiaens Quartett keine Vertonung der grauenvollen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs oder des Jüngsten Gerichts: „Es war nie meine Absicht, eine Apokalypse zu komponieren“, so der Komponist. „Ich nehme Anteil an einer geliebten Figur, dem ›Engel, der das Ende der Zeit verkündet‹ als ein Ende, das den Beginn der Ewigkeit beschreibt.“
Messiaen löst in seinem Quartett das Spannungsgefälle, das durch harmonische Beziehungen in der tonalen Musik besteht, durch eine erweiterte Harmonik und komplexe rhythmische Strukturen auf. Es entsteht eine Art statische Zeitlosigkeit. Auch Vögel, so argumentierte der gläubige Katholik Messiaen, leben in dieser Zeitlosigkeit, der eigenen Endlichkeit nicht bewusst. Die Erfahrung des Hörers von Messiaens Musik dagegen ist zwiefach: Er hört „ewige“ Klänge, gleichzeitig weiß er, dass seine eigene Lebenszeit verstreicht. Die Sehnsucht nach der Aufhebung der Zeit, nach der himmlischen Hochzeit, der alles verzehrenden Liebe ist Messiaens eigentliches Thema.
kammerkunst.de/1219/