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Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

374. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Johannes Brahms, Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op. 99

Wir danken der Johannes-Brahms-Gesellschaft Hamburg für freundliche Unterstützung.



Der Eintritt ist frei.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Johannes Brahms,
Sonate F-Dur op. 99 für Violoncello und Klavier

Allegro vivace
Adagio affetuoso
Allegro passionato
Allegro molto


Der Musikwissenschaftler Constantin Floros beschäftigt sich in einer Arbeit über Johannes Brahms mit der Tatsache, dass Brahms häufig Werkpaare bildete: Zwei Klavierkonzerte, zwei Klarinettensonaten, zwei Streichsextette, zwei Serenaden für Orchester und eben auch zwei Cellosonaten. Floros beobachtet hierbei eine „Doppelgesichtigkeit“, denn diese Paare weisen jeweils inhaltliche Gegensätzlichkeiten auf, die keinesfalls zufällig entstanden.

Die F-Dur Sonate op. 99 ist die zweite der beiden Cellosonaten von Johannes Brahms. Sie entstand über 20 Jahre nach der ersten Sonate in e-moll, nämlich im Sommer 1886 während eines Sommeraufenthaltes am Thuner See, bei dem Brahms auch die A-Dur Violinsonate op. 100 und das Klaviertrio c-moll op. 101 komponierte. Der Gegensatz zur frühen ersten Sonate ist offensichtlich: Die F-Dur-Sonate ist wesentlich umfangreicher und komplizierter in ihrer Struktur. Sie steht in der hellen Tonart F-Dur und ist bei weitem nicht so lyrisch und elegisch wie die frühere Schwestersonate.

Interessant sind zwei verschiedene Aussagen von Brahms Zeitgenossen über die Sonate:

Arnold Schönberg sagte in seinem Aufsatz „Brahms, der Moderne“, diese Sonate sei noch am Ende des 19. Jahrhunderts „unbeliebt, ja, unverstanden“ und darum eines der unbekanntesten Werke von Johannes Brahms. Er führte das u. a. auf die „Sprödheit“ des ersten Satzes und auf den Verzicht von eingängigen Melodien zurück. Schönberg, ein großer Bewunderer Brahms', lobte aber auch die Tatsache, dass Brahms sich in dieser riesigen Sonate nicht wiederholt: Eine Maxime Schönbergs war schließlich, dass in anspruchsvoller Musik Wiederholungen eine Beleidigung der Intelligenz des Hörers seien.

Eine andere Stimme zur F-Dur Sonate können wir heute noch in einem Brief von Elisabeth von Herzogenberg nachlesen. Brahms hatte ihr die neugeschriebene Sonate zugeschickt. Von Herzogenberg war eine Freundin von Johannes Brahms und eine ausgezeichnete Pianistin, auf deren Urteil Brahms stets großen Wert legte: „Ich möchte Ihnen danken für die schöne und liebe Sonate, mit der mich zu befreunden mein inniger Wunsch ist“, so Herzogenberg. „Der erste Satz hat mich bis jetzt am allermeisten gepackt. Wie mächtig komprimiert ist dieses Stück, und wie flutet es dahin, wie aufregend ist die knappe Durchführung, wie überraschend die vergrößerte Wiederkehr des ersten Themas! Dass wir in den wohlig warmen Klängen des Adagio schwelgten und beim herrlichen Zurückfinden ins Fis-dur, das so wunderbar klingt, so ganz besonders, brauche ich nicht erst zu sagen, das Scherzo mit seiner gedrungenen Kraft und Energie (bei dem ich Sie immer prusten und schnurren höre!) mochte ich wohl von Ihnen hören und den letzten Satz dann auch recht verstehen lernen mit seinem quasi lyrischen Thema - ich hatte das Gefühl, als stäche er in der Stimmung allzu sehr ab von dem großen Stile der anderen Sätze.“

Beide Aussagen bezeugen, dass die Sonate in ihrer Zeit hoch modern war, denn von Unverständlichkeit kann heute ebenso wenig die Rede sein wie davon, dass die F-Dur-Sonate eines der unbekanntesten Werke aus Brahms Feder sei. Inzwischen gehört dieses fantastische Monument zu den meist aufgeführten Werken der gesamten Kammermusik und ist aus den Konzertsälen der ganzen Welt nicht mehr wegzudenken.

Der erste Satz ist ein stürmischer Sonatenhauptsatz, das Adagio affetuoso stellt den emotionalen Höhepunkt des Werkes dar. Interessant ist, dass Brahms im dritten Satz, einem ebenfalls stürmischen Allegro-Scherzo, das Finalthema seiner dritten Symphonie F-Dur aufgenommen und variiert hat. Das Finale ist tatsächlich überraschend lyrisch, was aber heute nicht mehr als ein Mangel an der Sonate empfunden wird wie ihn Frau von Herzogenberg beschrieben hat. Vielmehr stellt sich das Finale dem heutigen Zuhörer als einen ausgleichenden Abschluss dieses turbulenten Meisterwerks.

Das Hauptthema des letzten Satzes zitiert den Anfang des altdeutschen Liedes „Ich hab mich ergeben“. Dieses Lied wurde auch bei der konstiutierenden Sitzung des deutschen Bundestages am 7. September 1949 in Bonn gesungen. Vielleicht wäre es sogar als Melodie für die deutsche Nationalhymne in Frage gekommen, allerdings wird die Melodie dieses Lied bereits als Hymne des Pazifikstaates Mirkonesien verwendet. Ein bemerkenswertes Zeugnis transkultureller Migration.

Franck-Thomas Link


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