Schöne Welt, wo bist Du?
Feierabendkonzert im Oberhafen
Lieder von Schubert und Korngold
Her mit dem guten Leben! Diese Forderung, die wir heutigen Glücksjäger meinen stellen zu dürfen, zieht nicht automatisch eine Lösung nach sich. Im Gegenteil, sie löst eine Konsumlawine aus, die das gute Leben unter sich begräbt. Auch im politischen Bereich stehen wir vor Rätseln, wie Utopia zu finden sein könnte.
Franz Schubert und Wolfgang Korngold sind beide Wiener und auf der Suche nach einer bess’ren Welt aus ähnlichem Holz geschnitzt. Beide saugen Nektar aus den Dissonanzen des Lebens. Der eine als Meister der Innerlichkeit, der andere als Wegbereiter für den Soundtrack Hollywoods.
Die Lieder von Schubert und Korngold werden in diesem Konzert durch Gedichte von Micha Neumann in einen Bezug zum Heute gestellt. Micha Neumann (*1974) stammt aus in Münster und verdient sein Geld als Krankenpfleger. Er gehört zur Berliner Poetry-Slam-Szene. 2015 erschien im Verlagshaus Berlin sein Bändchen „Sonette I“. Mit heiterem Ernst knüpft er an die expressionistische Verwendung des Sonetts etwa durch Georg Heym oder an die „Kriminal-Sonette“ von Rubiner / Hahn / Eisenlohr an.
Snack und Einlass 17 h, Konzert 18 h, Lounge 19 h
Mehr zur Reihe: Feierabendkonzert im Oberhafen
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Ulrich Bildstein, Bariton
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Franck-Thomas Link, Klavier
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Eva Mannschott, Schauspiel
Vorverkauf 9 € / Abendkasse 12 € / Kammerkunstmitglieder frei
Halle 424, Stockmeyerstraße 43, Tor 24, 20457 Hamburg
Schöne Welt, wo bist du?
Franz Schubert (1797 - 1828), Die Götter Griechenlands, Nachlass, Lfg. 42, Text: Friedrich Schiller
„Schöne Welt, wo bist du?“ Mit dieser klagenden Anrufung, beinahe einem Schmerzensschrei, eröffnet der Sänger den Vortrag. Offen schwebende Akkorde im Klavier davor zeigen, dass hier offensichtlich etwas zerbrochen ist, etwas fehlt, ist nicht mehr fassbar. Benannt wird dieses Fehlende dann als „Blütenalter der Natur“. Der Sänger versucht, es erneut heraufzubeschwören. Der Textdichter Schiller meint mit diesem Blütenalter die Zeit der alten Griechen, die von den Weimarer Klassikern für die Vollkommenheit und Harmonie ihrer Kunstwerke als Ideal betrachtet wurde. Das Heute erscheint dagegen ausgestorben kalt und schattenhaft. Nur „im Feenland der Lieder“ sei etwas von diesem Leben noch zu erahnen, so Schiller weiter. Vielleicht ist dies ein Grund, warum Schubert ausgerechnet dieses Textfragment Schillers zu einem Lied vertonte. Das Lied endet wie es begann: mit einer unbeantworteten Frage.
Franz Schubert, Todtengräbers Heimweh, Nachlass, Lfg. 24, Text: Jakob Nikolaus Craigher
Manisch und düster beginnt das Klavier und verrät damit den Seelenzustand des Totengräbers. Der ist aufgewühlt von der Erkenntnis, dass er, der sein Leben lang anderen Menschen zu ihrer letzten Ruhe verhalf, im Angesicht des eigenen Todes hilflos und allein dasteht. Der Tod führt den Totengräber dann jedoch unerwartet in lichte Höhen, in ein fernes Land, wo seine Lieben ihn bereits erwarten.
Micha Neumann, Zug um Zug
Erich Wolfgang Korngold (1897 - 1957), Nachwanderer, op. 9 Nr. 2 (1911), Text: Joseph Eichendorff
Ähnlich düster wie Schuberts „Totengräber“ eröffnet der „Nachtwanderer“ Korngolds. Die aufgeschreckte und manische Figur befindet sich jedoch nicht im Klavier, sondern in der Melodie der Gesangsstimme, die mit zwei aufsteigenden Quarten Alarm signalisiert. Das Klavier dagegen gleitet in schlüfrigen, durch Diminutionen immer intensiver werdenen Passagen, unaufhaltsam nach unten. Der Nachtwanderer reitet durch die Nacht, wo ihm allerlei untote Halbwesen begegnen. Als der Morgen graut ist (anders als im vergleichbaren „Erlkönig“) der Reiter tot. Sein Fluchtversuch – wovor genau er flieht, bleibt unausgesprochen, vielleicht vor einer Schuld – blieb vergebens.
Erich Wolfgang Korngold, Songs of the Clown: Come Away, Death, op. 29 Nr. 1, Text: William Shakespeare
Der verschmähte Liebhaber wünscht sich den Tod herbei und malt sich aus, wie seine Beerdigung sein soll. Alle sollen seinen übergroßen Schmerz spüren.
Micha Neumann, Suchende Seele
Franz Schubert, Dass sie hier gewesen, op. 59, 2, D 775 (1823?), Text: Friedrich Rückert
Das Lied eröffnet mit einer harten großen Terz in der Gesangsstimme. Immer bei Sonnenaufgang meint der Liebende, den Geruch seiner Geliebten zu erahnen. In seinen Tränen, meint er, könne sie ihn spüren. Wiederholungen und die Verangenheitsform des Textes nähren Zweifel, dass hier eine glückliche Liebesgeschichte erzählt wird. Die zentrale Aussage des Liedes scheint im Insistieren darauf, dass Verangenes trotz aller Widrigkeiten erinnert werden könne, zu bestehen.
Erich Wolfgang Korngold, Liebesbriefchen, op. 9 Nr. 4 (1913), Text: Elisabeth Honold
Dieses Liebsbriefchen überbrückt zweifelsfrei eine Trennung. Der Liebende denkt an seine Geliebte, deren Liebe er sich sicher ist.
Micha Neumann, Garten
Erich Wolfgang Korngold, Sommer, Sechs einfache Lieder, op. 29 Nr. 6, Text: Siegfried Trebisch
Der goldene Sommer rauscht und steigert sich von einem friedlichen Naturerlebnis zu einem glühenden „Verbrennen“. Der Sänger wird sich bewusst, dass seine Lebenszeit verstreicht und dass er von ungelebten Sehnsüchten umgeben ist. Das Leben erscheint ihm ein wüster Traum zu sein.
Micha Neumann, Lichtung
Franz Schubert, Du bist die Ruh, op. 59, 3, Text: Friedrich Rückert
In einem seiner schönsten Lieder besingt Schubert in triumphalen, weitgespannten Bögen das Wunder der Liebe.
Erich Wolfgang Korngold, Glückwunsch, Fünf Lieder, op. 38 Nr. 1, Text: Richard Dehmel
In diesem Lied wird ein Segenswunsch ausgesprochen.
Micha Neumann, Großstadt
Franz Schubert, Im Abendrot, Nachlass, Lfg. 20, Text: Karl Gottlieb Lappe
Im letzten Tageslicht steht der Sänger wie vom Donner gerührt ob der Schönheit der Natur, die ihn umgibt.
Micha Neumann, WWW
Erich Wolfgang Korngold, Das schlafende Kind, aus: Unvergänglichkeit, Liederkreis Opus 27, Text: Eleonore van der Straten
Dieses Wiegenlied enthält die alle fürsorglichen Gefühle eines Elternteils am Bett des schlafenden Kindes. Das Kind lächelt im Traum, und man wüsste gerne, wovon dieser selige Kindertraum handelt. Doch das Kind zu wecken wäre ein Sakrileg, Träume sind kostbarer als alles andere. Denn auch das Glück, so heißt es im Lied, ist nur ein Traum.
Franz Schubert, An die Musik, op 88 Nr. 4, D 547, Text: Franz von Schober
Schubert dankt der Musik, die vermag, uns aus unserem grauen Alltag in bess’ren Welten zu führen.
kammerkunst.de/1024/