Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

Violinissimo

Klassik im Tunnel - Matineekonzert in der Gallery Mytoro

Maike Schmersahl und Franck-Thomas Link

Ludwig van Beethoven, Violinsonate Nr. 8 op. 30 Nr. 3 G-Dur
Ludwig van Beethoven, Klaviersonate Nr. 7 D-Dur op. 10 Nr. 3
Ludwig van Beethoven, Violinsonate Nr. 9 A-Dur op. 47 („Kreutzer“)



Gallery Mytoro und Hamburger Kammerkunstverein laden ein zur 2. Saison der Kammermusikreihe „Klassik im Tunnel“.

Der Eintritt ist frei, für das leibliche Wohl wird gesorgt. Die Anzahl der Plätze ist begrenzt, wir bitten um telefonische Reservierung bei der Gallery Mytoro unter 040 / 55431313 oder per Email unter gallerist@mytoro.de.


Gallery Mytoro, Lüneburger Straße 1a, 21073 Hamburg, Gloriatunnel, Bhf. Harburg, Ausg. Moorstraße, beim Cinemaxx


Ludwig van Beethoven,
Violinsonate Nr. 8 op. 30 Nr. 3 G-Dur

Allegro assai
Tempo di Minuetto ma molto moderato e grazioso
Allegro Vivace

Ludwig van Beethoven,
Klaviersonate Nr. 7 D-Dur op. 10 Nr. 3

Presto
Largo e mesto
Menuetto: Allegro - Trio - Allegro
Rondo: Allegro

Ludwig van Beethoven,
Sonate Nr. 9 für Violine und Klavier A-Dur op. 47, Kreutzer-Sonate

Adagio sostenuto - Presto
Andante con variazioni
Presto


Beethovens drei Violinsonaten op. 30 stellen den Aufbruch zur Weiterentwicklung der Gattung Violinsonate dar, einerseits im Sinne von Emanzipation der Violine gegenüber dem Klavier, andererseits auch im Sinne von neuen Dimensionen in Form, Umfang, Spieltechniken und Verwebung der beiden Instrumente. Beethoven hat den wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die Violinsonate von der „Sonate Pour Pianoforte avec l'accompagnement d'un violon“ (Sonate für Pianoforte mit der Begleitung einer Violine), wie sie schon bei Mozart und Haydn bezeichnet wurde, zur großen Duo-Sonate zu entwickeln. Die Sonaten op. 30 sind bei Beethoven die letzten Sonaten, die so bezeichnet wurden. Schon die beiden nachfolgenden Sonaten bezeichnete Beethoven mit dem Zusatz „Violino obligato“ (op. 47) bzw. „Für Pianoforte und Violin“ (op. 96).

In seinen ersten fünf Violinsonaten hatte sich Beethoven tiefgehend mit den bereits vorhandenen Kompositions- und Spieltechniken auseinander gesetzt, op. 30 könnte man als die Experimentierwerkstatt des Meisters ansehen. Die drei Sonaten sind von einander extrem verschieden, jede von ihnen birgt einen eigenen zukunftsweisenden Aspekt in sich: Während man sich in der ersten Sonate (A-Dur) fast schon in der Welt von Franz Schubert wähnen könnte, setzt Beethoven mit der zweiten Sonate (c-moll) neue Maßstäbe in Umfang und technischem Aufwand. Die dritte Sonate (G-Dur) gibt in ihrer unbeschwerten Virtuosität bereits einen Ausblick auf einen Ausdruck von romantischer Leichtigkeit in Verbindung mit einer Brillanz, die man später etwa bei Mendelssohn wiederfinden wird. In den meisten Werkanalysen findet man einen Verweis auf eine Gemeinsamkeit, die die drei verschiedenartigen Schwestersonaten mit einander verbindet: Die Hauptthemen aller Kopfsätze der Sonaten haben als Grundelement eine rollende Sechzehntelfiguration. Ob Beethoven das bewusst so angelegt hat oder nicht, ist nicht zu belegen, aber die Tatsache an sich könnte man als weiteren Hinweis auf Beethovens Absicht verstehen, mit der Gattung Violinsonate zu experimentieren.

Unbeschwerte Spielfreude bezeugen die beiden Ecksätze der Violinsoonate Nr. 8 G-Dur op. 30 Nr. 3. Auch hier finden wir im Hauptthema des Kopfsatzes ein rollendes Sechzehntelmotiv, hier sogar länger und wesentlich ausgeprägter als in den beiden Schwestersonaten. Der erste Satz hat aus zwei Gründen eine äußerst elektrisierende Wirkung. Zunächst durch die schnellen Passagen, teils unisono, teils in Parallelen, die schon wie eine Vorahnung auf die Virtuosität eines Mendelssohn Bartholdy wirken. Außerdem dramatisiert Beethoven in diesem Satz scheinbar Gewöhnliches: das erste Thema hat immerhin einen Tonumfang von 3 Oktaven, und das Seitenthema erscheint in der sonst so fröhlichen und übermütigen Sonate in moll statt in Dur, begleitet von dramatischen, orchestral wirkenden Sechzehntel-Repetitionen der Violine.

Wie eine Insel von Ruhe und Anmut wirkt der zweite Satz. Selten ist eine Musik so schön, dass man sie gerne in nahezu unveränderter Form neun Mal hintereinander hört und spielt! Es grenzt fast an ein Wunder, dass das Thema so ausgewogen ist, dass man als Zuhörer beim bloßen Hören dieses Wiederholen gar nicht als solches wahrnimmt.

Das Schlussrondo nimmt die ungebrochene Spielfreude des ersten Satzes wieder auf. Wheelock Thayer bezeichnet diesen Satz wegen seiner anklingenden Volkstümlichkeit als „Rondo à la Musette“. Kann man den Grundcharakter der beiden Sonaten op. 30 Nr. 1 und Nr. 2 als intellektuell (Nr. 1) und dramatisch (Nr. 2) bezeichnen, steht die G-Dur-Sonate für Fröhlichkeit und virtuose Ausgeglichenheit.

Franck-Thomas Link


Die Klaviersonate Nr. 7 D-Dur op. 10 Nr. 3 gehört zu den frühen Sonaten Beethovens und entstand im Jahre 1798. Der erste Satz „Presto“ ist der klanglich und technisch reichste Sonatenhauptsatz, den Beethoven bis dahin geschrieben hatte. Er zeichnet sich durch eine, wie es Reclams Klaviermusik-Führer beschreibt, „wirbelnde Fülle kontrastierender Gestalten und Stimmungen“ aus. Gleichwohl ist dieser Satz mit sehr sparsamen Mitteln konzipiert. Beide Hauptthemen sind aus sehr ähnlichem Material komponiert. Der stürmische Charakter des Satzes, der eigentlich bereits in der Exposition etabliert zu sein scheint, wird in der Durchführung noch weiter getrieben, indem Beethoven sofort die eigentliche Tonart verlässt und nach B-Dur ausbricht. Es wirkt, als hätte sich Beethoven in großer Hast lediglich die Zeit genommen, den Kopf des ersten Hauptthemas mitzunehmen, denn nur der wird in der Durchführung eine Rolle spielen. Das restliche thematische Material taucht erst in der Reprise wieder auf. Über den zweiten Satz „Largo e mesto“ ist es schwer zu schreiben, so eindeutig ist er in seiner musikalischen Komposition. Wie die Vortragsbezeichnung „mesto“ (ital. „traurig“) bereits mitteilt, gilt dieser Satz als einer der finstersten und tragischsten Sätze in Beethovens Klaviermusik. Er habe den Seelenzustand eines Melancholikers schildern wollen, hat Beethoven einmal seinem Schüler Schindler erklärt. Die Schlichtheit und Einfachheit des dritten Satzes, dem Menuett, scheint die tiefe Trauer, von der vorher die Rede war, zu trösten und zu transformieren. Das führt uns direkt in den Finalsatz „Rondo“, der im Gegensatz zum tragischen Zentrum des Werkes äußerst fröhlich und und voller Esprit und Einfallsreichtum diese herrliche Klaviersonate zu Ende führt.

Franck-Thomas Link


Die Kreutzer-Sonate entstand in den Jahren 1802 und 1803. Sie ist Beethovens berühmteste Sonate für Klavier und Violine und nimmt unter seinen zehn Violinsonaten in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein: Das Werk ist weniger kammermusikalisch als vielmehr orchestral angelegt. Auf dem Titelblatt der Originalausgabe steht sogar: „scritta in un stilo molto concertante, quasi come d'un concerto“ („in sehr konzertantem Stile komponiert, wie ein Konzert mit Orchester“). Neue Kompositions- und Spieltechniken, die Beethoven mit der Kreutzer-Sonate eingeführt hat, deuteten weit in die Zukunft. Vor allem hat er die romantischen Violinsonaten mit diesem symphonischen Monument nachhaltig beeinflusst. Reine Spekulation ist freilich, ob Johannes Brahms, César Franck und Gabriel Fauré als Reminiszenz oder rein zufällig jeweils auch eine große Violinsonate in derselben Tonart A-Dur geschrieben haben.

Die Entstehungszeit dieses dreisätzigen Werkes ist von besonderer Bedeutung. Beethovens Karriere stand in ihrer Blüte, er konnte sich vor Kompositionsaufträgen und Konzertauftritten kaum retten. Um die Kreutzer-Sonate besser einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Werke, die Beethoven zur selben Zeit komponierte. Sie steht in zeitlicher und inhaltlicher Nachbarschaft zur 3. Symphonie, der „Eroica“ op. 55 und zu den Klaviersonaten „Appassionata“ op. 57 und der „Waldsteinsonate“ op. 53. Das wirft vor allem ein besonderes Licht auf die Ecksätze der Kreutzer-Sonate, denn in auch in den drei erwähnten Werken spielt ein virtuos-konzertanter Durchbruch in Beethovens Schaffen eine wesentliche Rolle. Beim zweiten Satz handelt es sich um Variationen über ein ausgesprochen liedhaftes Thema. Auch hier springt die direkte zeitliche Verwandschaft zu Beethovens berühmtestem Lied „Adelaide“ op. 46 ins Auge.

Der erste Satz beginnt mit einer langsamen Introduktion, der ein düster-dramatisches Presto folgt. Dieses steht nicht in der angegebenen Tonart, sondern in a-moll, weshalb Musikwissenschaftler gelegentlich angeregt haben, man solle die Tonart dieser Sonate mit „in a“ angeben, weil nur der Finalsatz in A-Dur steht. In den meisten großen Sonaten und Konzerten wählte Beethoven für den Finalsatz die Rondoform, nicht so in der Kreutzer-Sonate. Hier handelt es sich um einen vollständigen Sonatenhauptsatz, der allerdings durch das immer wiederkehrende Hauptthema nur verschleiert wahrzunehmen ist; man glaubt sich in einem Rondo. Dem Spiel mit solchen Hybridformen begegnet man bei Beethoven immer wieder. Es dient zum einen der Verschleierung, aber auch dem Ziel, bestehende Formen zu durchbrechen und neue zu schaffen. Diesen Satz hatte Beethoven bereits komponiert, als er den Auftrag erhielt, für eines der sogenannten „Augarten-Konzerte“ (die morgens um 8 Uhr begannen!) des aus Polen stammenden, mulattischen Violinisten George Bridgetower eine Sonate für Klavier und Violine zu komponieren. Ursprünglich war dieses Presto als Finalsatz für die A-Dur Sonate op. 30 Nr. 1 gedacht, allerdings stimmten wegen des Umfangs des Prestos die Proportionen zu den Eingangssätzen der 1802 komponierten Sonate aus op. 30 nicht mehr. So wurde er durch einen Variationssatz ersetzt und Beethoven konnte den ursprünglichen Finalsatz für die Kreutzer-Sonate nutzen. Die ersten beiden Sätze entstanden in nur vier Tagen, direkt vor der Uraufführung am 24. Mai 1803, mit George Bridgetower an der Violine und Beethoven selbst am Klavier.

Ursprünglich hatte Beethoven geplant, seine Sonate op. 47 Bridgetower zu widmen, mit dem er die Sonate im selben Jahr noch ein zweites Mal öffentlich spielte, bevor es zwischen beiden zu einem Streit kam. Beethoven stand seit 1798 mit dem französischen Violinvirtuosen Rudolphe Kreutzer in Kontakt und entschied sich dafür, ihm anstelle von Bridgetower das Werk zu widmen. Kreutzer, Meisterschüler Giovanni Battista Viottis, hat die Sonate allerdings selbst nie öffentlich gespielt und nannte sie „une torture pour l'instrument“ („eine Folter für das Instrument“) und „outrageusement inintélligible“(„bodenlos unverständlich“). Zwar war er ein außerordentlich guter Techniker, noch heute sind seine 42 Etüden und Capricen ein wichtiges Unterrichtswerk, allerdings war er die musikalischen Anforderungen, die Beethoven mit seinem neuen konzertanten Stil an den Geiger stellte, keineswegs gewohnt.

Franck-Thomas Link