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Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

Schätze der Vokalmusik

Kompositionen des Hamburger Frühbarock

Hamburger Barock

Fällt aus wegen Krankheit!!!



St. Mauritius Hittfeld, Kirchstraße 23, 21218 Seevetal


Kompositionen des Hamburger Frühbarock

Im 16. und 17. Jahrhundert blühte das musikalische Leben an den Hauptkirchen der Freien- und Hansestadt Hamburg. Das Hamburger A-Cappella-Ensemble „Quintststärke“ hat in geduldiger Archivarbeit wahre Schätze ausgegraben. Das Konzert stellt wichtige norddeutsche Komponisten des Barock in einen gesamteuropäischen Zusammenhang.


Heinrich Schütz (1585 – 1672)
»Also hat Gott die Welt geliebt«
op. 11,12 SWV 380
Motette aus der „Geistlichen Chormusik“

Heinrich Schützens Vertonung eines Textes aus dem Johannes-Evangelium strahlt Zuversicht und Dankbarkeit aus. Wuchtige Eröffnungsakkorde beglaubigen die Liebeszusage Gottes an die Welt, geschäftige Achtelnoten zeigen, dass diese Zusage für jeden einzelnen Gläubigen gilt, die Aussicht auf das ewige Leben erklingt in beschwingtem Dreiertakt. Schütz wurde zu Lebzeiten als einer der wichtigsten deutschen Musiker hoch geschätzt. Sein Schaffen beeinflusste viele seiner Zeitgenossen. Nach seinem Tod geriet er für mehr als 200 Jahren fast völlig in Vergessenheit. Erst Liszt und Brahms trugen zu einer Renaissance Schützens bei, indem sie seine Werke erneut aufführten. Seit den 1920er Jahren hält diese Renaissance ungebrochen an.


Thomas Selle (1599 - 1663)
»Missa à 5. Super „Sey mir gnädig“«

Kyrie eleison
Gloria in excelsis Deo

Die Kurzmesse von Thomas Selle war für den gottesdienstlichen Gebrauch bestimmt. In schlichter, ruhig fließender Bewegung zeichnet die Musik den Inhalt des Messtextes nach. Selle erhielt seine Ausbildung in Leipzig, wo er wohl Thomaner unter Johann Hermann Schein war. Ab 1641 war er Kantor am Johanneum und Musikdirektor der vier Hauptkirchen Hamburgs, später auch am Mariendom. Er administrierte ein kirchliches Musikleben auf hohem Niveau. Die Freie- und Hansestadt Hamburg war eine Bürgerstadt, die ihre Pracht nicht über ein höfisches Leben entfaltete, sondern in kirchlichem Rahmen ihren Wohlstand demonstrierte.


Hieronymus Praetorius (1560 - 1629)
»O vos omnes«
Lamentationes Jeremiae 1, 12

Hieronymus Praetorius verleiht der Klage Jeremias in dieser Motette eindringlichen Ausdruck, indem er textliche Motive musikalisch fein ziseliert nachzeichnet. Praetorius war Organist an der Hamburger Hauptkirche Sankt Jacobi und gilt als Begründer der Norddeutschen Orgelschule.


Jan Pieterszon Sweelinck (1562 -1621)
»De Profundis«
Psalm 130

Jan Pieterszon Sweelinck vertont den Bußpsalm, indem er die Wirkungsmöglichkeiten der barocken Affektenlehre voll ausschöpft und auch extreme Lagen der Gesangsstimmen nicht scheut. Die Tiefe der menschlichen Verzweiflung erklingt in tiefem Bassregister, der Verzweiflungsschrei zum Herren wird mit extremen Oktavsprüngen zum Ausdruck gebracht. Die Ungerechtigkeit der Menschen (lat. „iniquitas“) ist durch quälend sich abwechselnde chromatische Halbtöne dargestellt. Sweelinck übte als Organist in Amsterdam großen Einfluss auf die Norddeutsche Orgelschule des 17. Jahrhunderts aus. Zentrum dieses Stils waren neben Hamburg vor allem Lübeck, Bremen, Lüneburg und Stade; entgegen ihrem Namen hatte die Bewegung jedoch auch Ausläufer in Dänemark und Schweden.


Thomas Selle (1599 - 1663)
»Aus der Tiefe ruf ich Herr zu dir«
Motette für fünfstimmigen Chor

Schlichter als Sweelinck, gleichwohl nicht weniger reizvoll, vertont Thomas Selle den 130. Psalm. Auffällig ist hier eine komponierte Doppelchörigkeit in einem fünfstimmigen Satz, der ursprünglich vielleicht sogar von zwei Halbchören aufgeführt wurde. Auch Selle benutzt den aufsteigenden Oktavsprung, um den flehentlichen Anruf des Herren zum Ausdruck bringen.


Johann Hermann Schein (1586 - 1630)
»Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen«
Jesaja 49, 14-16
aus: Israelsbrünnlein, 1623
Geistliche Madrigale für fünfstimmigen gemischten Chor

Johann Hermann Schein ist in der Reihe der „drei großen Sch“ neben Samuel Scheidt (in Halle) und Heinrich Schütz (in Dresden) einzuordnen, die von Mitteldeutschland aus wesentlichen Einfluss auf die Musik ihrer Zeit ausübten. Zu Scheins Schülern zählte auch Thomas Selle. In dieser Motette ist der Text ebenfalls auf einen Ober- und einen Unterchor verteilt. Am Ende vereinigen sich beide Teilchöre zu einem Gesamtchor. Dieser Effekt wirkt beruhigend und reflektiert das Wort Gottes, dass er die Menschen in seine Hände gezeichnet habe, was bedeutet, dass der ewige Beistand Gottes den Menschen sicher ist.


Thomas Selle (1599 - 1663)
»Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen«
Motette für fünfstimmigen Chor

Dieses Werk legt nahe, dass Thomas Selle die Vertonung des selben Psalms durch seinen Lehrer Johann Hermann Schein gekannt hat. Ähnlichkeiten in musikalischen Motiven sind unverkennbar. Die musikalische Faktur bei Selle ist jedoch schlichter und mehr auf klangliche Schönheit als auf den Ausdruck von Gefühlen ausgerichtet.


Pfingsthymnus aus dem 9. Jahrhundert
»Veni, creator Spiritus«
Rabanus Maurus zugeschrieben (um 780 - 856)
Arr.: Quintstärke

„Quintstärke“ nähert sich sehr persönlich an die Welt der Gregorianik an. In freier Improvisation verwenden die fünf Sänger und Sängerinnen Prinzipien wie „Zerstreuen und Sammeln“, Flüstern, oder die Länge des eigenen Atems, um zu einer zeitgenössischen Interpretation des mittelalterlichen Antiphons zu gelangen.


Johann Theile (1646 - 1724)
»Missa brevis«


Kyrie eleison
Gloria in excelsis Deo

Johann Teile war einer der letzten Schüler des alten Heinrich Schütz. Sein Singspiel „Adam und Eva“ eröffnete 1678 die Oper am Gänsemarkt in Hamburg, das erste bürgerliche Opernhaus Deutschlands. Theiles Stil war stark vom strengen kontrapunktischen Altersstil Heinrich Schützens beeinflusst und grenzt sich damit vom prunkvolleren Konzertstil ab, der zeitgleich im Bereich der katholischen Messe bevorzugt wurde. Seine Kurzmesse behandelt die einzelnen Singstimmen in polyphoner Weise, die einzelnen Stimmen halten also weitgehend unabhängig voneinander die je eigene Melodie durch.


Hieronymus Praetorius (1560 - 1629)
»Wie lang, o Gott, in meiner Not«
Psalm 13

Mit einem kleinen Sextsprung aufwärts beginnt diese ausdrucksstarke Motette von Hieronymus Praetorius. Der Einfluss, den die italienischen Madrigalisten wie etwa Giovanni Gabrieli, der am Markusdom in Venedig tätig war, auf die Norddeutschen hatten, ist deutlich erkennbar. Praetorius verbindet vielfältige stilistische Einflüsse zu einer eindrucksvollen und eigenständigen Klangrede.


Christoph Bernhard (1628 - 1692)
»Zur selbigen Zeit wird dein Volk erlöset werden«
Begräbnismotette

Christoph Bernhard gilt als Meisterschüler von Heinrich Schütz. Im Jahre 1664 übernahm er die Position eines Musikdirektors und Kantors am Johanneum zu Hamburg. Hier trat er die Nachfolge von Thomas Selle an. Seine „Begräbnismotette“ ist Johann Rist gewidmet, der ebenfalls in Hamburg wirkte und neben Paul Gerhardt als der bedeutendste protestantische geistliche Dichter des 17. Jahrhunderts gilt.


Thomas Tallis (1505 - 1585)
»O sacrum convivium«
aus: Cantiones sacrae (1575)

„O sacrum convivium“ ist eine Antiphon vom Geheimnis des Abendmahls. Thomas Tallis stellt die diesem heiligen Geschehen innewohnende Spannung durch lang gezogene Melodielinien, ausdrucksvolle Dissonanzen und die polyphone Fortspinnung des harmonischen Materials dar.


Hieronymus Praetorius (1560 - 1629)
»Non est bonum«
1. Mose 2, 18
Florilegium sacrarum cantionum, Petri Phalesij 1609

Hieronymus Praetorius vertont den berühmten Vers aus der Schöpfungsgeschichte über die Erschaffung des Weibes, indem er die Einsamkeit des Mannes durch lange, sich wiederholende Notenwerte darstellt, die erst dann diminuiert werden, als die durch die Wiederholung aufgebaute Spannung fast unerträglich ist. Die frohe Gemeinsamkeit zwischen Mann und Frau wird durch kanonisch aufeinanderfolgende Stimmen dargestellt.


Bartolomaeus Stockmann (16. Jahrhundert)
»Vulnerasti cor meum«
Hoheliedmotette für fünf Stimmen

Eine Rarität ist die Motette von Bartholomaeus Stockmann, über dessen Leben wenig bekannt ist. Er stammte aus Braunschweig und war kurze Zeit (1583-1586) Kantor an der Flensburger Lateinschule, landete am 19. September 1587 aus unbekannten Gründen im Zuchthaus, zog aber schon 19 Tage später, eventuell auf Anordnung des Königs Friedrich II., nach Kopenhagen, wo er zum Bass-Sänger in der königlichen Kapelle berufen wurde.

Ulrich Bildstein


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