Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

268. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Beethoven-Lieder


Handelskammer Hamburg, Börsensaal, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Tagesprogramm als PDF


Ludwig van Beethoven,
Beethoven - Lieder

Marmotte, op. 52 Nr. 7 | Johann Wolfgang v. Goethe
Mailied, op. 52 Nr. 12 | Johann Wolfgang v. Goethe
Die Ehre Gottes aus der Natur, op. 48 Nr. 4 | Christian Fürchtegott Gellert
Adelaide, op. 46 Nr. 2 | Friedrich von Matthisson
Resignation, WoO 149 | Paul Graf von Haugwitz
An die ferne Geliebte, op. 98 | Aloys Isidor Jeitteles


Der Text des Liedchens Marmotte entstammt Goethes Schwank „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ aus dem Jahre 1773. Es ist das Lied eines Betteljungen, der mit einem dressierten Murmeltier den Leuten Kunststückchen vorführt, um Geld zu verdienen. Anfänglich wird die volkstümliche Melodie nur von einer Bordunquinte begleitet, die von einer Drehleier stammen könnte, die primitivste Art, einen gesanglichen Vortrag harmonisch zu begleiten. Erst im zweiten Teil der Strophe weitet sich die Harmonik. Zu Goethes Zeiten kamen immer wieder Wellen von Flüchtlingskindern aus den Savoyer Alpen nach Deutschland. Die Armut und der Hunger in den Schweizer Alpentälern waren groß, und so schickten die Bergbauern ihre Kinder über die Alpen, weil ihr Überleben zuhause unmöglich war. In der guten Gesellschaft wurde es zur regelrechten Mode, Bilder von diesen zerlumpten, pittoresk anzuschauenden Bettelkindern in Auftrag zu geben. Aber das Leben der Wanderkinder war hart. Sie lebten auf der Straße, wurden verjagt und waren gezwungen, immer weiter zu ziehen. Manche wanderten bis nach Schweden.

Im Mailied spricht sich der junge Sänger in pastoralem D-Dur über die wiedererwachte Frühlingsnatur aus, die - ebenso wie seine frische, unschuldige Verliebtheit - seine Hormone brodeln lässt.

Die Ehre Gottes aus der Natur ist die beethovensche Vertonung eines Textes des deutschen Moralphilosophen Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769). Die Melodie war zuerst 1797 im Sankt Galler Gesangbuch erschienen. Beethoven vereinfachte sie und machte aus dem urspünglichen 3/4 Takt einen 2/2 Takt. Es ist eine Hymne an die Natur, in der Goethe Gott ausgedrückt fand. Beethoven hätte bestimmt nichts gegen die Formulierung des Benediktinerpaters Willigis Jäger einzuwenden gehabt, der betont, dass der Mensch Teil der Natur sei und ihn als einen „Tanzschritt Gottes“ bezeichnet.

Beethovens Adelaide ist eines der wichtigsten und schönsten frühromantischen Klavierlieder. Es ist durchkomponiert, d.h. jede Strophe hat ihre eigene Musik. Musikalisch ist das Lied zweigeteilt. Der erste Teil ist ein Larghetto mit der Vortragsbezeichung „dolce“. Der Liebhaber sieht seine Geliebte wo auch immer er wandert, und auch die Musik wandert durch eine weitgespannte Fülle von Tonarten und Rhythmen. Die triolische Klavierbegleitung evoziert eine träumerische Atmosphäre. Der zweite Teil des Liedes enthält die Todesphantasie der abschließenden vierten Strophe des Gedichtes, in der Blumen aus dem Grab des Dichters spießen, die seine unsterbliche Liebe bezeugen. Beethoven gibt dieser Strophe einen geradezu extatischen Ausdruck. Nach den endlosen Liebesseufzern des ersten Teils des Liedes ist dieses Allegro molto ein gedrängter Höhepunkt, in dem sich der junge Liebhaber jubelnd im Tode mit der Geliebten vereinigt sieht. Die abschließenden elf Takte, mit „calando“ bezeichnet, zeichnen musikalisch die beinahe post-koital zu nennende Entspannung des erschöpften Liebhabers in den Armen seiner Geliebten nach und enden mit einem ersterbenden, ausgeatmet seufzenden „Adelaide“.

Im Jahre 1802 schrieb der erst 31-jährige Beethoven aus der Kur in Heiligenstadt einen nie abgeschickten Brief an seine Brüder. Beethoven beschreibt bewegend seine Sorge um sein immer schlechter werdendes Gehör und äußert Suizidgedanken. Er entschuldigt sich für sein oft misanthropisch Wirkendes Verhalten, das aber im schlechten Zustand seiner Gesundheit seinen Grund habe und das Gegenteil seiner tief empfunden Liebe zu den Menschen und zur Natur ausdrücke. Das Lied Resignation entstand 1817, der innere Gemütszustand Beethovens scheint dem seiner Heiligenstädter Zeit zu entsprechen. Beethoven drückt hier todessehnsüchtige Gedanken in heiterster, versöhnlichster Weise aus und lässt den Tod als Erlösung, nicht als Auslöschung erscheinen.

An die ferne Geliebte ist Beethovens einziger Liederzyklus und entstand 1816. Er umfasst sechs Lieder, die durch auskomponierte Übergänge miteinander verbunden sind. Inhaltlich knüpft er höchstwahrscheinlich an jenen berühmten Brief an die „Unsterbliche Geliebte“ an, den er im Juli 1812 schrieb und der erst posthum in einem Geheimfach in seinem Schreibtisch entdeckt wurde. In diesem Brief nimmt Beethoven Abschied von einer Frau, die er sehr geliebt haben muss, die für ihn jedoch unerreichbar blieb, wohl aus gesellschaftlichen Umständen. Wer jene unsterbliche Geliebte war, ist ein Rätsel, das zwar eine umfangreiche Forschungsliteratur hervor gebracht, bis heute jedoch keine Auflösung gefunden hat. Der Liederzyklus steht am Beginn des beethovenschen Spätwerkes und markiert die Überwindung eines lange gehegten Traums, einer glühenden Hoffnung.


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