Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

Delikate Kammerkunst

Der Hamburger Kammerkunstverein zu Gast im Restaurant Esskultur.

Britten, Schumann, Poulenc

Delikate Kammerkunst, Pressemeldung als PDF



Trommelstraße 4, 20359 Hamburg


Esskultur Hamburg


Johann Sebastian Bach,
Sonate für Oboe g-moll BWV 1020

Allegro
Adagio
Allegro

Benjamin Britten,
Metamorphosen nach Ovid op. 49 für Oboe solo

Pan
Phaeton
Niobe
Bachus
Narcissus
Arethusa

Claude Debussy,
Six Images, Deuxième Livre

IV. Cloches à travers les feuilles. Lent.

V. Et la lune descend sur le temple quit fut. Lent.

VI. Poissons d'or. Animé.

Camille Saint-Saëns,
Sonate für Oboe und Klavier op. 166 (1921)

Andantino
Allegretto
Molto allegretto

Robert Schumann,
Arabeske op. 18 C-Dur

Robert Schumann,
Phantasiestücke für Oboe d'amore op. 73

Zart und mit Ausdruck
Lebhaft, leicht
Rasch und mit Feuer

Charles Koechlin,
Le Repos de Tityre für Oboe d'amore

Francis Poulenc,
Sonate für Oboe und Klavier (1962)

Élégie (Paisiblement)
Scherzo (Très animé)
Déploration (Très calme)


Die Urtextausgabe der Sonate g-moll BWV 1020 erschien beim Henle-Verlag im zweiten Band der Flötensonaten von J. S. Bach. Während der erste Band "Die vier authentischen Sonaten" enthält, finden sich im zweiten Band "Drei J. S. Bach zugeschriebene Sonaten". Ob das Werk wirklich von Johann Sebastian oder vielleicht doch von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel, dem "Hamburger Bach", stammt, ist nicht ganz sicher. Man vermutet, dass der Vater beim Entstehen der Sonate zumindest helfend eingegriffen hat, so dass Carl Philipp Emanuel sie nicht als sein eigenes Werk herausgeben wollte. Sicher ist ebenso wenig, für welches Melodieinstrument die Sonate ursprünglich geschrieben worden ist. Man hielt sie zunächst für eine frühe Violinsonate, bis man feststellte, dass der Tonraum der tiefen G-Saite gar nicht ausgenutzt wird. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich in der Bachforschung deshalb die Auffassung verbreitet, es handele sich um eine Flötensonate. Die Besetzung war zu Bachs Zeit jedoch ohnehin oft eine variable Komponente. Das gilt sowohl für die Kammermusik als auch für viele Solokonzerte: Die Violinkonzerte beispielsweise werden jeweils um einen Ton tiefer auch auf dem Klavier gespielt, auf der anderen Seite gibt es einige Klavierkonzerte in der Bearbeitung für Violine. Das Doppelkonzert in d-moll für Violine, Oboe und Orchester wird auch in c-moll an zwei Klavieren gespielt, weitere Beispiele lassen sich problemlos finden. Und so verwundert es nicht, dass sowohl die große Flötensonate in h-moll als auch die heute gespielte g-moll Sonate für Oboe bearbeitet worden ist.


In seinen Metamorphosen op. 49 nach Ovid zeichnet Benjamin Britten (1913-1936) tonmalerisch die Metamorphosen des römischen Dichters Ovid (Ovidus Naso, 43 v. Chr - 17 n. Chr) nach.

Pan, der auf seiner Rohrpfeife spielt, welche Syrinx seine geliebte Nymphe war. Pan war den Nymphen sehr gefällig. Als er einst Syrinx verfolgte, eine Tochter des Flußgottes Ladon, und sie seinen Umarmungen nicht zu entfliehen wußte, rief sie ihren Vater um Hilfe an, dieser verwandelte sie augenblicklich in Schilfrohr, woraus Pan von da an seine Pfeifen schnitt.

Phaeton, der strahlende Sohn des Sonnengottes Helios, bat seinen Vater einmal den Sonnenwagen lenken zu dürfen. Die ungestümen Pferde gingen jedoch bei dem unerfahrenen Lenker durch, gerieten aus der Bahn und setzten große Teile der Erde in Brand. Um gößeren Schaden zu verhindern, schleuderte Zeus auf Bitten der Menschen Phaeton durch einen Blitz in den Fluß Po.

Niobe, die Tochter des Tantalos, hatte vierzehn Kinder. Als sie sich dieser Vielzahl gegenüber der einstigen Freundin Leto rühmte, rächten sich auf deren Klage ihre Kinder Apollon und Artemis, indem sie alle Kinder der Niobe erschossen. Zeus selbst verwandelte sodann diese in Stein. Niobe wurde gleichfalls versteinert und in das Siphylosgebirge versetzt, wo Quell und Regenwasser als ewige Tränen aus ihren Augen rinnen.

Bacchus, Sohn des Zeus, Gott des Weines und allschöpferischer Natur, auf dessen Festen man gackernde Weiber, lallende Zungen und das Grölen junger Männer hören kann.

Narcissus, der schöne Jüngling, welcher sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt und in eine Blume verwandelt wird.

Arethusa, eine Nymphe der gleichnamigen Stadtquelle Syrakus, flieht vor der Liebe des Flußgottes Alpheus und wird von diesem in eine Fontäne verwandelt.

Simon Strasser


Claude Debussy gilt als Hauptvertreter des musikalischen Impressionismus, obwohl er sich gegen diese aus der Malerei entlehnte Bezeichnung zeitlebens gewehrt hat. „Die Dummköpfe nennen es ‚Impressionismus“ – ein Begriff, der so schlecht angewandt ist wie nur irgend möglich!“, wird er zitiert. Debussy wollte mit seiner Musik Stimmungsbilder erschaffen, ein Kompositionsprinzip, das sich in den beiden Bänden der „Images“ besonders gut erfahren lässt. Von der Wirkung seiner „Images“ war der Komponist absolut überzeugt: „Ich glaube, dass diese Stücke […] ihren Platz in der Klavierliteratur einnehmen werden, […] zur Linken Schumanns und zur Rechten Chopins.“

IV. Cloches à travers les feuilles - Glockenklang durchdringt die Blätter

Der Musikkritiker und Schriftsteller Louis Laloy, der Debussy zu diesem und zu dem folgenden „Image“ anregte, teilt mit, dass altem ländlichen Brauch zufolge von Allerheiligen bis Allerseelen die Glocken geläutet wurden, deren Klang sich als zarter akustischer Schleier über die herbstliche Landschaft legte. Debussy vereint hier die Reize des Lichts und das Irisieren der Blätter mit dem Klang der Glocken zu verschiedenen perspektivischen Schichten, die Nähe und Ferne suggerieren, verdichtet zu einem musikalisch-konstruktivistischen Naturgemälde.

V. Et la lune descend sur le temple quit fut - Und der Mond senkt sich über den vergangenen Tempel

Ein antikes, orientalisch geprägtes Bild mit Momenten von Stille und quälend einsamer Entrückung. Dem „Canope“ aus dem zweiten Band der Préludes ähnlich, beschwört es nicht nur die Vision des Monduntergangs über einer Tempelruine, sondern erscheint wie ein fernes Traumbild, als Ahnung der Gegenwart vergangener Kulturen.

VI. Poissons d'or - Goldfische

Angeregt von einer japanischen Lackmalerei. Die musikalische Realität dieses Stückes geht weit über die eher beschaulichen Assoziationen, die der Titel weckt, hinaus und entwickelt sich mehr und mehr zu einer humoristischen Wassermusik, die sich bei aller Strenge ihrer „harmonischen Chemie“ (Debussy) einem ungemein heiter-turbulenten Finale, das den Hörer zu dem Sujet des ersten Images („Reflets dans l'eau“) zurückführt, nicht verschließt.


Die Sonate für Oboe und Klavier op. 166 von Camille Saint-Saens entstand in seinem Todesjahr 1921. Dass dieses Spätwerk von den Entwicklungen des 20. Jahrhunderts unberührt geblieben ist, verwundert nicht, wenn man weiß, dass der alternde Saint-Saëns moderne Strömungen entschieden ablehnte und Komponisten wie Debussy oder Strawinski erbittert bekämpfte. Die Sonate atmet ganz den Geist der französischen Spätromantik. Weitgespannte Melodienbögen bestimmen den ersten Satz, ihm folgt eine Pastorale, die von einem syrinxartigen solistischen Vor- und Nachspiel umrahmt wird. Ein schneller, spritziger Satz vervollständigt die bukolische Szenerie (in der man das Meckern der Ziegen zu hören glaubt) und beschließt ein Werk, das durch Poesie, Heiterkeit und Klarheit bezaubert.


Schumanns "Arabeske" Opus 18 gehört zu den Fantasien und steht neben den beiden Einzelstücken "Blumenstück" Opus 19 und "Humoreske" Opus 20. In der literarischen Welt könnte man für die "Arabeske" in den Märchen Hoffmanns eine Entsprechung finden. Seltsamerweise sind vor allem die ersten beiden kleineren Kompositionen von den Biographen geringer eingeschätzt worden, als ihnen zukommt. Die freundliche poetische Grundstimmung erscheint wohl manchem nicht gewichtig genug, aber wenn man die Arabeske als gefälliges Salonstück ohne tiefere Bedeutung abtut, so ist man in ihren eigentümlichen Geist nicht eingedrungen. Die leidlich bequeme Spielweise, die übersichtliche Rondo-Form des Stückes verhalf ihm bei Laien und Schülern zu einiger Popularität. Der Künstler wird in dem sanft webenden Hauptmotiv noch mehr finden als ein elegantes Linienspiel. Ein träumerisches Verzögern mischt ernstere Farben ein. Der Minore-Teil in reinem Quartettsatz steigert sich zu leidenschaftlicher Hingabe, die zwölf zum Hauptthema zurückleitenden Takte sprechen mit einer agogischen Freiheit zu uns, die nur Schumann wagen konnte. Die zarten Fragen des zweiten Minore werden von energischen, gravitätischen Marschrhythmen unterbrochen, als ob der Träumer plötzlich inmitten einer bürgerlichen Umwelt erwachte. "Zum Schluß" ein glückliches Versinken in die idealische Sphäre der Phantasie.


Die Phantasiestücke op. 73 von Robert Schumann entstanden 1849. Sie sind ursprünglich für Klarinette in A geschrieben, sind aber so konzipiert, dass sie auch von Violoncello, Violine oder Oboe d'amore gespielt wer-den können. Bereits im Jahr zuvor hatte sich Schumann mit kleinteiligen Formen beschäftigt, in erster Linie in seinem "Album für die Jugend", das heute aus dem Klavierunterricht nicht mehr wegzudenken ist. Daraus ent-standen vier weitere Kammermusikwerke für ein Blasinstrument (alternativ für ein Streichinstrument) und Kla-vier, die weniger für den großen Konzertsaal als für die damals sehr populäre Hausmusik angelegt waren. Das erste Werk in dieser Reihe sind die Phantasiestücke op. 73. Sie bilden einen dreisätzigen Zyklus von Charakterstücken. Während das erste Stück eine liedhafte und schlichte Einleitung bildet, schlägt das zweite einen lebhafteren Ton an, behält aber die Sanglichkeit des ersten Stückes bei. Im dritten Stück verdichtet sich der Ausdruck zu einem dramatischen Finalsatz.


Die für unser Programm ausgewählte Miniatur Le Repos de Tityre für Oboe d'amore von Charles Koechlin beschreibt den Moment im Alltag eines wunderschönen Falters, der sich gerade ausruht.


Francis Poulencs Oboensonate, komponiert 1962 als letzte seiner drei Sonaten für Holzbläser, ist dem Gedenken Sergei Prokofiews gewidmet. Die eröffnende „Élégie“ beginnt mit einem hohen D der Oboe als erstem Ton einer einleitenden Vierton-Phrase. Was folgt, ist gleichfalls typisch Poulenc: eine durchgehende Basslinie unter pulsierenden Akkorden, mit denen das Klavier die Klagelinie der Oboe unterstützt. Dann bringt das Klavier ein lyrisches Nebenthema herein, das die Oboe übernimmt. Ein drittes Thema, das ein doppelt punktiertes Motiv vorstellt, bildet den Höhepunkt des Satzes, bevor eine friedliche Wiederholung des vorangegangenen musikalischen Materials den Satz ruhig beschließt. Das „Scherzo“ im Zentrum ist ein belebter Satz im 6/8 Takt, in welchem punktierte Rhythmen weicheren Motiven gegenüberstehen. Ein Mittelteil, der etwas langsamer und lyrischer gehalten ist, erhebt sich zum Höhepunkt im Klavier, um stufenweise wieder abzusteigen zu einem dominantischen Schluss, bevor das toccataartige Scherzo zu einem schroffen Ende findet. Die abschließende „Déploration“ bewegt sich über einem choralartigen Thema, das durch das Klavier vorgestellt wird. Ein „Vers“ folgt, bevor die Oboe endlich die Klage vollständig über einem pulsierenden Viertel-Rhythmus im Klavier aussingt, der mit der Vortragsbezeichnung „monoton“ versehen ist. Nach einigen Tonartwechseln endet der Satz in trauriger Stimmung.